Rudolf X. Ruter

Experte für Corporate Governance und Nachhaltigkeit, Buchautor und Mitglied in diversen Aufsichtsgremien

Rudolf X. Ruter ist gelernter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit knapp 40-jähriger Erfahrung auf den Gebieten Prüfung und Beratung sowohl von internationalen, nationalen Unternehmen als auch von Familienunternehmen und Unternehmen der öffentlichen Hand. Er ist Experte auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit und (Public) Corporate Governance, dem Aufbau und der Durchführung von Interner Revision sowie für interne Kontroll-, Risiko- und Reputationsmanagementsysteme. Nach seiner Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen baute er als Partner bei Ernst & Young den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf. Von 2008 bis 2013 war er Leiter des Arbeitskreises “Nachhaltige Unternehmensführung” in der Schmalenbach-Gesellschaft. Heute ist Herr Ruter Mitglied in diversen Aufsichtsgremien und als Buchautor und Ethikexperte bekannt.


Digitaler Wandel und digitale Ethik*

Die Ethik als Wissenschaft denkt methodisch über Moral und die in der Gesellschaft aktuell herrschenden Regeln und Normen nach. Passen diese Regeln noch? Was ist, wenn es für den digitalen Wandel mit seinen zahlreichen Digitalisierungsthemen wie z.B. Datenschutz, BIG DATA, Transparenz, Sozialen Medien und Künstliche Intelligenz noch keine Regeln gibt? Nach CSR (Corporate Social Responsibility) rückt CDR (Corporate Digital Responsibility) immer mehr in den Vordergrund (vgl. Center for Digital Responsibility). Regulatorische Vorschriften sind in der Entwicklung (vgl. den weltweit ersten Entwurf eines Rechtsrahmens für Künstliche Intelligenz durch die Europäische Kommission).

Moral war immer schon sehr anpassungsfähig. Sie war und ist stets das Ergebnis einer bestimmten Ära und deren gesellschaftlichen Entwicklungen. Geprägt von deren Sinn- und Werteorientierungen, Erfahrungen und Traditionen und zahlreicher weiterer insbesondere wirtschaftlichen Faktoren. Moral wandelt beständig ihre Gestalt und ihre Inhalte. Sie ist ein großer Opportunist.

Welche neuen moralischen Regeln für den digitalen Wandel müssen wir schaffen? Erste Unternehmen haben sich bereits einen Leitfaden oder Ethik-Kodex für Künstliche Intelligenz gegeben (z.B. 2018 Leitfaden Telekom, 2020 Kodex Bosch: „Künstliche Intelligenz soll dem Menschen dienen“ oder BMW: „Vorrang menschlichen Handelns und menschliche Aufsicht“ auch beim „Internet der Dinge“).

Alle wollen sicherstellen, dass auch und gerade für Digitalisierungsfragen eine funktionierende Sensorik und Radarfunktion, unterstützt durch methodisches Rüstzeug in den Unternehmen existiert. Durch die eigene Sinn- und Werte-Orientierung des Unternehmens auch im Bewusstsein der Mitarbeiter führt diese neue Ethik zu einem sensiblen Umgang mit KI-Technologien und Algorithmen.

Hierbei kann ein „Digitaler Beirat“ der Garant für „Neues ethisches Denken“ sein (vgl. Deutsche Digitale Beiräte).

* Vgl. Ethik, Moral und Ehre des Digitalen Beirats, in: Aufsichtsrat aktuell 4/2021, Seite 149 ff, Linde Verlag Wien


Wir brauchen neue Köpfe.

Wenn es besser werden soll, müssen die Beteiligten ausgetauscht werden. Wir beobachten immer öfter, dass „altvordere” Köpfe in Aufsichtsgremien und Geschäftsleitungsbereichen die erforderlichen Veränderungen nicht zeitgerecht einleiten. Siehe aktuell auch beim Deutschen Fußball Bund. Nichts zu verändern und auf eine Verbesserung zu hoffen ist eine Sackgasse.

Unsere Zeit ist geprägt von immer schneller werdenden wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Dem zufolge ist eine innovative und disruptive Geisteshaltung Bedingung, um den neuen Erfordernissen in den Bereichen Digitalisierung aber auch Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.

Da die „altvorderen“ Köpfe oft einer Selbstevaluation und der Effizienzprüfung mit Ablehnung begegnen, können sie die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und die damit verbundenen Anforderungen an ihre Organisation nicht richtig einschätzen. Die bisherigen fachlichen Kompetenzen reichen nicht mehr. Partielles Zusatz-Onboarding für das Team, Continous Learning für alle oder Up-Skilling einzelner Führungskräfte ist nur Flickwerk.

Neues Denken ist gefragt. Frühere Erfolgsrezepte greifen nicht mehr. Deshalb braucht es auch und besonders in den obersten Führungspositionen innovative Vorgehensweisen. Dies bedingt eine vorausschauende und disruptive Geisteshaltung. Mann oder Frau muss kein IT-Experte oder Digital Native sein, um den künftigen Anforderungen auf Augenhöhe zu begegnen – auch wenn Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bei vielen Prozessveränderungen dominieren.

Innovation und Disruption sind eine Geisteshaltung. Genauso wie Leidenschaft für Neues und Begeisterung für die künftigen Chancen.

Wir brauchen neue Köpfe!

Runde Köpfe!

„Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ (Francis Picabia, 1879-1953).


Ist Integrität weiblich?

Weitere Frau an der Spitze von „Integrität und Recht“

Der Aufsichtsrat der KNORR-BREMSE hat zum 1. April ein neues Vorstandsressort „Integrität und Recht“ geschaffen (siehe Pressemitteilung) und Frau Dr. Claudia Mayfeld zur Vorständ*in berufen.

„Integrität und Recht: zwei wertbildende Faktoren im Konzern und für unsere Kunden. Als interne Dienstleister begleitet unser Ressort die Wege des Konzerns in Zukunftsmärkte, verankert Recht und Integrität als Grundlage des täglichen Handelns im Konzern und berät Planungsprozesse, Vertragsabschlüsse und strategische Entscheidungen“ so formuliert VOLKSWAGEN den Aufgabenbereich (siehe Homepage), der dort von der Vorständ*in  Hiltrud Dorothea Werner seit 2017 (vormals Frau Dr. Christine Hohmann-Dennhardt) geleitet wird. Seit dem Weggang bei DAIMLER im Jahr 2016 von Frau Dr. Christine Hohmann-Dennhardt leitet die Vorständ*in Frau Renata Jungo Brüngger das gleichnamige Vorstandsressort bei DAIMLER.

 Ohne andere kompetent Besetzungen zu gefährden

Nach einer Studie aus dem letzten Jahr ist der typische Dax-Vorstand „Männlich, 55 Jahre und deutsch“ (vgl. Handelsblatt). Das wollen auch die meisten nicht ändern. So hat sich bei KNORR-BREMSE der Aufsichtsrat extra für die Erweiterung des Vorstands von vier auf fünf Bereiche entschieden (vgl. Juve): „Dadurch haben wir die Möglichkeit geschaffen, dem Führungspositionen-Gesetz Rechnung zu tragen, ohne über andere kompetente Besetzungen entscheiden zu müssen“. Bei ALLIANZ heißt das entsprechende Vorstandsressort „Compliance und Recht“ und wurde bis Ende 2019 von Vorständ*in Frau Dr. Helga Jung geleitet (Nachfolgerin ist Frau Renate Wagner bei gleichzeitigem Auflösen des separaten Ressorts „Compliance und Recht“ und Eingliederung in den Bereich „Human Resources, Legal, Compliance, Mergers & Acquisitions“).

 Der Gründer und Präsident der Stiftung Globale Werte Allianz, Professor Dr. Klaus M. Leisinger zeigt in seinem neuen Buch „Integrität im geschäftlichen Handeln“, dass Integrität vor allem eine persönliche Verantwortung ist: “Integre Führungspersonen schauen genau hin, handeln nach bestem Wissen und Gewissen und gehen mit gutem Beispiel voran“ (vgl. Buchbesprechung Wirtschaftsethik). Und zwar alle Führungspersonen. Alle Vorstände. Nicht nur die Ressortleitung für Integrität und Compliance.

The Ethics Study 2021

Diese aktuelle Ethikstudie (zu ethischem und verantwortungsvollem Wirtschaften von Principia Advisory in Zusammenarbeit mit Clifford Chance, der Internationalen Handelskammer, INvolve, GlobeScan und dem Institute of Business Ethics ) zeigt genau das wachsende Engagement aller (nicht nur der weiblichen) CEOs für Integrität und Ethik. Alle Führungskräfte stehen zunehmend vor schwierigen Entscheidungen, was das Richtige ist, und wenden sich der Ethik als alternative Linse für die Entscheidungsfindung zu:

 97% fühlen sich persönlich verantwortlich, dass ihr Unternehmen das Richtige tut

96% glauben, dass das Richtige bedeutet, die eigenen Werte des Unternehmens sowie die geltenden Gesetze und Vorschriften zu befolgen

92% glauben, dass Unternehmen ihren eigenen Werten folgen sollten, auch wenn dies bedeutet finanzielle Renditen zu opfern.

Diese Erkenntnis mag auch der Grund sein, warum die meisten DAX30-Unternehmen gar kein separates Vorstandsressort „Integrität“ eingerichtet haben.

Schlußbemerkung

Sprachlich ist „die“ Integrität sowieso weiblich (vgl. DUDEN) und bedeutet Makellosigkeit, Unbescholtenheit, Unbestechlichkeit. Integrität ist eine ethische Forderung des philosophischen Humanismus nach möglichst weitgehender Übereinstimmung zwischen den eigenen Idealen und Werten einer jeden Führungsperson und der tatsächlichen Lebenspraxis.


Corona und Führung

Führung ist Kunst. Das zeigt sich besonders in Krisensituationen wie in der derzeitigen Corona-Pandemie. Einige Branchen kämpfen unverschuldet mit der schieren Existenz, anderen ist es gelungen eine Art „Überlebensmodus“ zu organisieren und mit wirksamen Aktionen auf die Probleme zu reagieren.

Einerseits kommen Unternehmen, welche bereits in der Vergangenheit auf einen nachhaltigen Business Case ausgerichtet waren und eine berechtigte ‚Licence to operate‘ besaßen, mit der Situation deutlich besser zu recht. Auf der anderen Seite macht Corona deutlich sichtbar was bisher oft leichtfertig nicht wahrgenommen werden wollte (z.B. allgemeiner Abschwung in zahlreichen Industrien, margenloser Überproduktion und Konsum nicht lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen). Corona wirkt wie ein Brennglas. Versäumnisse der Vergangenheit werden rücksichtslos sichtbar. Versäumte Transformationen und Entwicklungen (z.B. Digitalisierung, neue Arbeitsplatzmodelle wie Homeoffice etc.) müssen beschleunigt werden.

Corona macht auch in der Zivilgesellschaft die immer noch bestehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten (wie z.B. Bildung, Chancengleichheit, Zustände in Alten- und Pflegeheimen, leistungsgerechte Entlohnung) sichtbar.

Hier und jetzt zeigt es sich, ob die bisherigen “Schönwetter-Kapitäne” sich auch als “Sturm- und Krisen-Kapitäne” eignen und bewähren. Sowohl in der Politik als auch in den Unternehmen ist mutige, tatkräftige und ergebnisorientierte Führung mehr denn je gefragt.

Führung ist Kunst

Politische und unternehmerische Führung ist die Kunst, Menschen zu überzeugen und sie zur Gefolgschaft einzuladen, sodass sie freiwillig das tun, was ich, die Führungskraft, für das Richtige für mein Unternehmen und für meine Bürger halte. Also nicht ich ‚mache’ mich zum Führer, sondern meine Mitmenschen entscheiden, ob ich ein Führer ‚bin’.  Nicht ich ‚erschaffe’ ein erfolgreiches und nachhaltiges Unternehmen, sondern meine Kunden ‚entscheiden’, ob meine Produkte kauffähig sind.

Das Konzept der „Dienenden Führung“ unterstreicht diesen Ansatz. „Führender“ und „Geführter“ sind füreinander da sind und agieren gemeinsam zum Wohle aller. Aus der Perspektive der Führungskraft lauten die zentralen Fragen: „Wie kann ich andere führen, damit sie sich persönlich weiterentwickeln und ihr Potenzial voll entfalten können, um unsere gemeinschaftlichen Ziele zu realisieren?“ „Mag ich andere Menschen oder mag ich nur mich?“ Nur wer Menschen mag und das „4-M-Prinzip“ (man muss Menschen mögen) verinnerlicht hat ist ein Leader. Dies ist auch im Interesse des nachhaltig Führenden, wie schon Hermann Hesse erkannte: „Es ist das Gesetz des Dienens. Was lange leben will, muss dienen. Was aber herrschen will, das lebt nicht lange“.

Ohne Gefolgschaft und ohne Kunden gab es noch nie eine erfolgreiche Führung bzw. ein erfolgreiches Unternehmen. Führungsverhalten muss also klar, konsequent, nachvollziehbar und authentisch sein. Nur durch dieses Verhalten wird Vertrauen aufgebaut und gelebt. Ein Unternehmensführer muss für sich und für das Unternehmen Verantwortung übernehmen. Sein Führen muss zukunftsfähig sein. Zukunftsfähige gelebte Führung schafft Vertrauen und hilft dem Unternehmen erfolgreich und nachhaltig zu sein. Nachhaltige Unternehmensführung ist ein langfristiges, wertebasiertes und gegenüber Menschen und Umwelt Verantwortung forderndes, gelebtes Konzept, das auf Vertrauen beruht.

Führung macht sichtbar

Und wie in Analogie zu Paul Klee (1879 – 1940), deutscher Maler, “Kunst nicht das Sichtbare wiedergibt, sondern sichtbar macht” spiegelt ‚Führung nicht das Sichtbare wider, sondern macht die gelebten Tugenden und Todsünden der Führungskraft sichtbar’. Bei Corona werden alle gelebten Tugenden und Todsünden aller Menschen sichtbar.

So gesehen haben Corona und Führung eines gemeinsam: Sie sind der Lackmustest der inneren Sinn- und Werte-Orientierung und des eigenen Moralkompasses. Bei der Ausführung von Führungsverhalten kann nur sehr schwer versteckt, simuliert und vorgegaukelt werden. “Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen!” wusste schon der deutsche Komiker Karl Valentin (1882 – 1948).

PS: Diese Gedanken sind teilweise entnommen dem Buch: Dienende Führung  – Zu einer neuen Balance zwischen ICH und WIR – Taschenbuch – 2019, ESV Verlag und dem dort veröffentlichten Beitrag von Herrn Ruter „Vom ehrbaren Kaufmann zum kaufbaren Ehrmann“


Jeder kann anständig sein

Compliance und Anstand

Compliance fragt nicht nur nach Regelungen und Vorschriften. Compliance Management fragt als Erstes nach Anstand und Respekt. Anstand einer Organisation als Ganzes und Anstand der einzelnen Individuen, die die Organisation ausmachen und prägen. Nach Menschen als Leuchtturm der Verlässlichkeit im Sturm der täglichen Unwägbarkeiten.

Anstand im Allgemeinen

Wo ist der Anstand geblieben? Wo können wir ein gutes und korrektes Benehmen beobachten? Ein Benehmen, das auf guten Sitten und einer von der Gesellschaft erwarteten und wertgeschätzten Sinn- und Werte-Vorstellung basiert. Anstand als anerkannte Grundbedingung und selbstverständlich empfundener Maßstab für ethisch-moralisches Verhalten im Zusammenleben mit Anderen in der Gemeinschaft im Kleinen und in der Gesellschaft im Großen.

Wer bestimmt, was gutes Benehmen ist?

Für das Miteinanderauskommen braucht es Regeln. Anstandsregeln als Leitplanken für eine gemeinschaftliche, akzeptierte Sinn- und Werte-Orientierung. Wer legt vernünftige, gesellschaftliche Grundregelungen fest? „Was ist Vernunft? Der Wahnsinn aller?“ fragte schon Baruch de Spinoza (1632-1677), holländischer Philosoph. Wer entscheidet, was Gutes und schlechtes Benehmen ist? Sind Aufrichtigkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Loyalität und Respekt anderen gegenüber in unserer Zeit aus der Mode gekommen?

Jeder von uns wurde bei der Geburt mit bestimmten Sozialkompetenzen ausgestattet. Einer Kombination aus Anpassungs- und Durchsetzungsfähigkeiten, die es ermöglicht, in Kommunikations- und Interaktionssituationen entsprechend den Bedürfnissen der Beteiligten Realitätskontrolle zu übernehmen und effektiv zu handeln. Soziale Intelligenz und soziale Instinkte, wie z.B. Gerechtigkeitsempfinden, Beschützerinstinkt und Nächstenliebe fördern unser Wohlempfinden. Niemand kam mit Geldgier, Machtgeilheit oder Niedertracht auf die Welt. Gesunder Egoismus hat die Natur mit einem Geselligkeitstrieb gepaart. Dem Wunsch nach Zugehörigkeit in einer erfolgreichen Gruppe. Einer Gruppe, deren (Anstands-) Regeln wir gerne übernehmen.

Sind wir noch ausreichend anständig?

Aber was ist passiert in der Evolution bzw. unserer eigenen Entwicklung? Haben sich die Gruppenzugehörigkeiten oder die (Anstands-) Regeln innerhalb gleichbleibender Gruppen verändert? Gibt es noch gesellschaftliche Gruppen, wie z.B. Elternhaus und Schule mit den gleichen akzeptierten Sinn- und Werte-Orientierungen? Es geht nicht um „die da oben“ oder um die vermeintliche „Elite“. Sondern um jeden einzelnen Menschen in unserer Gesellschaft!

Darf ich überhaupt noch anständig sein?

Darf ich noch anständig sein in geänderten Gruppierungen mit geänderten Regeln? Was denkt mein Nachbar, mein Kollege und mein Freund? Fühlt er sich auch unwohl? Folgende Beobachtungen lassen mich nachdenklich werden:

Lügen

Warum lügen wir so gerne? Jeder hört lieber unehrliche Komplimente als ernüchternde Wahrheiten. Warum leben wir in einer Welt, wo von vielen „der Ehrliche“ als schwach und dumm angesehen wird und „der Lügner“ auf Händen getragen und verehrt wird?

Wahrscheinlich auch deshalb, weil wir selbst anfällig sind für „schöne Worte“. Tröstende und beruhigende Lügen (comforting lies) hören wir lieber als unangenehme und lästige Wahrheiten (unpleasant truths). Auch wenn Thomas Mann (1875 – 1955), deutscher Schriftsteller, der Meinung war, dass „eine schmerzliche Wahrheit besser als eine Lüge ist“ so ist der Großteil der Menschen der Auffassung, dass „Wahre Lügen (true lies)“ das eigene Leben einfacher machen.

Jeder Mensch braucht Anstand

Anstand kann man nicht erzwingen, Anstand muss man vorleben. Anstand ist eine Tugend, wie Mut und Respekt. Jeder Mensch hat eine eigene Moral und Anstand und sucht es auch bei seinem Gegenüber. Der Eine vielleicht weniger als der Andere. Und der Andere vielleicht dafür etwas mehr.

Wie können wir zu unserer Integrität und zu unserem Anstand wieder zurückfinden?

Eigentlich ist es sehr einfach: Wir müssen wieder Zeit finden: analoge Zeit ohne Smartphone und digitale Ablenkung. So steigern wir unser eigenes Wohlempfinden!

Weniger LÜGEN: Seien Sie mehr authentisch. Verzichten Sie auf die rhetorischen Lückenfüller und Dummschwätzer-Attitüden. Seien Sie ehrlich und fordern Sie Ehrlichkeit auch ein. Nehmen Sie den chinesischen Philosophen Laotse (ca. 6. Jahrhundert v. Chr.) als Vorbild: „Wahre Worte sind nicht immer schön; aber schöne Worte sind auch nicht immer wahr“.

Mehr RESPEKT: Gleich welcher Person gegenüber, mehr Liebe und Achtung erbringen. Vorbild sein. In Vorleistung gehen. Dann wird man den Respekt des Anderen auch erfahren. Respekt und Liebe sind unzertrennlich. „Die Anerkennung, das Lob der Anderen, stärkt unser Selbstwertgefühl. Es gibt Schwung für neue Aktivitäten. Aber man muss auch selbst die Kraft in sich haben, Andere anzuerkennen. Und das sollte man öfter tun. „Es macht den Umgang untereinander leichter“ wusste schon die deutsche Verlegerin Anna Magdalena Burda (1909 – 2005).

Jeder kann anständig sein

Ich will keine rhetorische Selbstaufwertung. Keine staatlichen Ethikkommissionen und keinen weiteren populistischen Moral-Narzissmus. Ich plädiere für einen Gegenpol gegen den Ozean der Unanständigkeit. Für einen Hafen der Anständigkeit wo sich jeder von uns wiedererkennt und wohlfühlt.

Lassen Sie uns zusammen immer öfter gut und anständig sein!


Hilfe, ich bin ein Aufsichtsrat – holt mich hier raus.

Anbei einige Gedanken aus einer meiner letzten verträumten Aufsichtsratssitzungen als wir unsere neue Compliance Richtlinie diskutierten ……………………

Während dieser etwas chaotischen Diskussion eines mittelmäßig schwierigen und eigentlich mit keinerlei strategischer Bedeutung belasteten, eher im Bereich der Alltagsprobleme des betreffenden Unternehmens anzusiedelnden Thematik (wer hat Schuld, warum und wieso kann es nicht verheimlicht werden), in der schon alles Wesentliche gesagt war (allerdings noch nicht von allen und auch noch nicht in allen ‚farblichen Schattierungen’), weit weg von den Tugenden eines ehrbaren Aufsichtsrats, hüpften meine Gedanken (warum auch immer) zu einer unterdurchschnittlichen Fernsehserie mit dem Titel: „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“:

In dieser Soap werden sogenannte ‚C-Prominente’ mit übergroßem Selbst-Ego (je mehr ‚C’ oder ‚D’ umso größer das Ego) weit weg und fernab jeglicher Realitäten zur Lösung überflüssiger Probleme versammelt. Dabei lassen sie sich von einem vorsitzenden, alles angeblich verantwortenden Moderator ‚herabdiskutieren’ und demontieren sich darüber hinaus in peinlichen Auftritten und Aussagen öffentlich selbst. Anhänger dieser Fernsehkost bezeichnen dies dann als „ironisch überhöhter Spaß für das gesättigte Bildungsbürgertum“ (Süddeutsche Zeitung). Die Teilnahme an diesem ‚Dschungelcamp’ (Sie hatten es ja sicher schon erraten) endet jedenfalls durch ein ‚Votum’ der Fernsehzuschauer; wer nicht ‚rausgewählt’ wird, kann oder muss am Ende ‚Dschungelkönig’ oder auch ‚Königin’ werden.

Wie kann eigentlich ich diesem ‚Dschungel’, in dem ich im Moment sitze, entkommen, wenn man vergisst, mich aufgrund § 103 AktG‚ raus- bzw. abzuwählen’ oder gar mein Mandat für weitere fünf Jahre in der nächsten Hauptversammlung verlängert? Kann ich mein Aufsichtsratsmandat jederzeit niederlegen? Was sagt unsere Satzung und unsere sonstigen Vertragsvereinbarungen im Bereich Aufsichtsrat? Welchen Beschränkungen unterliege ich? Gibt es Kündigungsfristen? Was sagt meine finanzielle, geistige und emotionale Unabhängigkeit? Ich erinnere mich, dass die deutsche Gesetzgebung die sogenannte Amtsniederlegung nur sehr unzureichend geregelt hat. Wen soll, wen darf ich in dieser eher ungewöhnlichen Problematik um Rat fragen?

Doch Gott sei Lob und Dank wurden diese, meine sorgenvollen Gedanken schnell wieder vertrieben als wir unseren letzten Tagungsordnungspunkt erreicht haben: ‚Die Erhöhung der Aufsichtsratsbezüge’ verbunden mit der spannenden Frage: ‚Gilt eine Erhöhung auch rückwirkend und entspricht dies unserer Compliance-Richtlinie’?

ANMERKUNG:

JEDE ÄHNLICHKEIT MIT LEBENDEN ODER REALEN PERSONEN ODER UNTERNEHMEN IST NICHT BEABSICHTIGT UND WÄRE ALSO REIN ZUFÄLLIG


Compliance und ehrbarer Aufsichtsrat

Für die Mehrzahl der Führungskräfte und Verantwortungsträger in unserer Wirtschaft ist es selbstverständlich im täglichen Geschäftsleben Werte zu leben. Auch wenn aktuell immer öfter Medien eher das Bild vom gierigen, unsozialen und unanständigen Manager in ihren Schlagzeilen verbreiten. Sich als Führungskraft anständig zu verhalten, macht Sinn. Nur wenn sich alle Mitarbeiter, Führungskräfte, Vorstände, Aufsichtsräte / Beiräte und Eigentümer / Gesellschafter eines Unternehmens anständig gegenüber ihren Stakeholdern (nach innen und außen in alle Richtungen wie v. a. Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern, Öffentlichkeit) verhalten, wird das Unternehmen selbst langfristig wirtschaftlichen und nachhaltigen Erfolg haben. Klare Sinn- und Werte-Orientierung ist sowohl für alle Akteure aus auch für das Unternehmen selbst als Fundament und Voraussetzung für ein nachhaltiges Erfolgsmanagement gefragt.

Was bedeutet dies nun konkret für den ehrbaren Aufsichtsrat im Bereich Compliance?

1) Er kennt die ‚Spielregeln’

Der ehrbare Aufsichtsrat besitzt ausreichende Kenntnisse der wesentlichen regulatorischen Vorschriften für sein Unternehmen (insb.  aus dem Bereich der Corporate Governance, des Aktiengesetzes, des Internen Kontroll- und Risikomanagementsystems, Compliance). Er kennt das eigene unternehmerische Geschäftsmodel und den dazugehörigen Markt und versteht die unternehmerische ‚licence-to-operate’ in dieser Branche. Insgesamt hat er für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben alle erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen (vgl. DCGK 5.4.1).

2) Er kennt den Unterschied zwischen legal und legitim

Nur mit Regel- und Gesetzestreue – oder neudeutsch ‚Compliance’ genannt – ist ein Unternehmen nachhaltig nicht zu führen.  “Nicht alles was legal (gesetzeskonform) ist, ist richtig, sondern nur was legitim (anständig und anerkennungswürdig) ist, ist auch richtig”. Der ehrbare Aufsichtsrat orientiert sich am ehrbaren Kaufmann und nicht an der Filmfigur aus Wall Street ‚Gordon Gekko’. Er kennt den Unterschied zwischen legal und legitim.

3) Er fühlt sich persönlich für Compliance verantwortlich

Zu allererst und jederzeit handelt der ehrbare Aufsichtsrat nach der im Unternehmen festgelegten Sinn- und Werte-Orientierung und dem Unternehmensleitbild. Er macht nur das, was sein Aufgaben- und Verantwortungsbereich gemäß Gesetz und Aufsichtsrats-Geschäftsordnung umfasst (vgl. DCGK Präambel). Trotzdem fühlt sich jeder ehrbare Aufsichtsrat für alle anderen Bereiche des Unternehmens und insbesondere für das unternehmerische Reputations- und Risikomanagement und Compliance-System im Ganzen verantwortlich und unterstützt dieses tatkräftig.

4) Er unterstützt das Risiko- und Integritätsmanagement mit all seiner Kraft

Trotz aller Hoffnung auf eine positive Zukunft lebt jeder ehrbare Aufsichtsrat ein angemessenes Risiko- und Integritätsmanagement gepaart mit einem angepassten Compliance-Management. Er ermöglicht ein ausgeprägtes Risikomanagement (einschließlich funktionstüchtigem Internen-Kontroll-System und einer wirksamen Internen-Revisions-Funktion) und ein zukunftssicherndes Reputations- und Ethikmanagement. Dies ist nicht (nur) die Aufgabe der Mitglieder der entsprechenden Aufsichtsrats-Ausschüße sondern eines jeden Aufsichtsrats. „Es dauert 20 Jahre, um einen guten Ruf aufzubauen, und nur fünf Minuten, um ihn zu ruinieren“, sagte der US-amerikanische Großinvestor Warren Buffett (*1930).

5) Er kennt die Grenzen des Vertrauens

Jeder ehrbare Aufsichtsrat weiß, dass Vertrauen und Glaube grundsätzlich riskant sind. „Der völlige Verzicht auf Hoffnung ist das, was das Unheil nur beschleunigen kann. Eines der Elemente, die das Unheil verzögern können, ist der Glaube daran, dass es abwendbar ist“ erklärte uns schon der deutsch-amerikanische Philosoph Hans Jonas (1902 – 1993). Selbst ausgeklügelte Compliance-Systeme ändern daran nichts. Vertrauen ist riskant, weil es immer auf die Zukunft gerichtet ist. Genau wie ein Kredit riskant ist, weil man darauf vertraut, dass man seinen gegebenen Vorschuss zurückbekommt. Man läuft Gefahr auf Kosten der Zukunft zu leben, wenn man sein Geld / seinen Vorschuss nicht zurückbekommt. Im Gegensatz zur Nachhaltigkeit, wo nicht auf Kosten der Zukunft agiert wird.


Ehrlichkeit als Orientierung und Lebensziel

Es gibt zahlreiche Werte und Werte-Managementsysteme in Wissenschaft und in Praxis wie zum Beispiel Leistungswerte (Qualität, Nutzen, Innovationsorientierung), Kommunikationswerte (Verständigung, Achtung, Zugehörigkeit), Kooperationswerte (Konfliktfähigkeit, Teamgeist, Loyalität, Glaubwürdigkeit) oder moralische Werte (Anständigkeit, Ehrlichkeit, Integrität, Fairness). Die Frage aller Fragen lautet: „Welche Werte sind mir als Führungskraft – privat und beruflich – am wichtigsten? Mit welchen eigenen Werte-Vorstellungen will ich unternehmerisch erfolgreich sein? Wie ist meine Einstellung z.B. zu Briefkastenfirmen, pro-aktiven Bilanzgestaltungen, Arbeitsplatzabbau, Korruption, Kartellabsprachen und modernen Steuersparmodellen? Wie finde ich Werte-orientierte Lösungen auf aktuelle Probleme z.B. der Digitalisierung und der Disruption? Welche eigene Haltung erlaubt mir eine eigene Perspektive und sichere Bewertung der Dinge? Tugenden können hier eine gute Orientierung sein und Leitplanken liefern für ein anständiges Handeln.

„Keine Zeit ist so erbärmlich, dass man nicht wieder ehrlich werden könnte“ wusste schon der englische Dramatiker William Shakespeare (1564 – 1616). Ohne Ehrlichkeit als Grundvoraussetzung können Ethik und Moral nicht entstehen. Ohne Ehrlichkeit ist eine Werte-Orientierung nicht möglich. Leider vergessen wir gelegentlich die Tugend der Ehrlichkeit und der Rechtschaffenheit. Der eine mehr. Der andere weniger. Der eine absichtlich und der andere unbewusst. „Rechtschaffenheit ist eine seltene Tugend, und der Mensch, der sie im höchsten Maß zu besitzen glaubt, hat sie oft am wenigsten.“ so Honoré de Balzac (1799-1850), französischer Philosoph.

Ehrlichkeit ist etwas für starke und mutige Menschen. Schwache Menschen neigen zur Lüge. Jeder hört lieber unehrliche Komplimente als ernüchternde Wahrheiten. Leider leben wir in einer Welt, wo von vielen „der Ehrliche“ als schwach und dumm angesehen wird und „der Lügner“ auf Händen getragen und verehrt wird. Fremden Dritten vertrauen wir oft zu schnell und grundlos.

Wahrscheinlich auch deshalb, weil wir selbst anfällig sind für „schöne Worte“. Tröstende und beruhigende Lügen (comforting lies) hören wir lieber als unangenehme und lästige Wahrheiten (unpleasant truths). Auch wenn Thomas Mann (1875 – 1955), deutscher Schriftsteller, der Meinung war, dass „eine schmerzliche Wahrheit besser als eine Lüge ist“ so sind viele manchmal der  Auffassung, dass „Wahre Lügen (true lies)“ das eigene Leben doch lebenswerter erscheinen lassen. Hier sollten wir uns stets an den chinesischen Philosophen Laotse (ca. 6. Jahrhundert v. Chr.) erinnern: „Wahre Worte sind nicht immer schön; aber schöne Worte sind auch nicht immer wahr“.


Regeln nicht nur für die Adventszeit 

 

Täglich beispielhaft Agieren

Tagtäglich lesen und hören wir von Nachhaltigkeit und Führung. Was aber bedeutet das für die Tagesarbeit eines „nachhaltigen Unternehmensführers“? Es genügt nicht, wenn nur die Führung hinter dem Konzept „Nachhaltigkeit“ steht. Vielmehr müssen alle täglich dafür werben und als gutes Beispiel vorangehen. Jeder von uns prägt die Regeln des täglichen Miteinanders.

Regeln für den Alltag

Wo finden wir nun Regeln für den betrieblichen Alltag? Wo können wir kurz nachlesen, wenn wir in einer Vorgehensweise oder Entscheidung unsicher sind? Wo sind nachschlagbare Regeln, die sich über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende bereits bewähren konnten! Sicher nicht im Compliance Handbuch.
Wir finden Sie zum Beispiel bei den Franziskanern, deren reich gewordener Ordensgründer Franz von Assisi ein Leben in Armut wählte und dessen Regeln bereits 1997 Grundlage für den Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden für ethische Investments wurde; sozusagen eine Bibel für Manager nachhaltiger Fonds.
Auch die 1500 Jahre alten Ordensregeln der Benediktiner können als bewährten Leitfaden für eine werteorientierte Unternehmensführung für das tägliche Leben herangezogen werden. Bereits der berühmte Satz „Ora et labora“ macht deutlich, dass Arbeit als wesentlicher Bestandteil eines erfüllten und sinnvollen Lebens gesehen wird.

Mensch im Mittelpunkt
Diese sehr detaillierten Regeln des Hl. Benedikt von Nursia sind heute immer noch aktuell. „Alle Dinge sind in unaufhörlicher Bewegung und wir vermögen nicht an ihnen festzuhalten, selbst wenn wir es wünschen“. Alles ist im Fluss und so kennen die Benediktinerregeln trotz ihres Detailierungsgrad nur wenig unumstößliche Normen: z.B.:

  • „Discretio“: als CFO des Klosters (damals als Cellerar bezeichnet) wird aus der Gemeinschaft ein Bruder ausgewählt, der weise ist, reifen Charakters und nüchtern ist.
  • „Gehorsam“ – der CEO des Klosters (damals als Abt bezeichnet) bedenke aber stets, welche Bürde er auf sich genommen hat und wem er Rechenschaft über seine Verwaltung ablegen muss. Er wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll und
  • „Demut“ – und wir alle sollten… nicht stehlen, nicht begehren, nicht falsch aussagen, alle Menschen ehren. Und keinem anderen antun, was man selbst nicht erleiden möchte. (Vgl. in diesem Zusammenhang auch die vom Bund der katholischen Unternehmer herausgegebenen „Zehn Gebote für Unternehmer“.)

Uns bleibt mehr als die Hoffnung
„Die derzeitigen internationalen wirtschaftlichen Dynamiken mit ihren schwerwiegenden Verzerrungen und Missständen erfordern, dass sich auch das Verständnis des Unternehmens tiefgreifend verändern muss. Alte Formen der Unternehmertätigkeit gehen ihrem Ende entgegen, doch am Horizont werden neue vielversprechende Formen sichtbar“ beruhigt uns Papst Benedikt der XVI in seiner Enzyklika “Caritas in Veritate”.


“Mama, was ist das: Ehrlichkeit?”

Was ist „Ehrlichkeit“?

Was antwortet eine sorgende Mutter auf die Frage ihrer Tochter “Mama, was ist das: Ehrlichkeit?” Eine etwas scherzhafte, aber in der Praxis oft anzutreffende Antwort lautet:
“Ich will es Dir so erklären: Wenn du zwanzig Cents findest, dann lohnt es nicht, sie zur Polizei oder ins Fundbüro zu tragen, die kannst du behalten. Wenn du tausend Euro findest, dann trag sie zur Polizei oder ins Fundbüro. Man wird dich dann für ehrlich halten, und der Ruf der Ehrlichkeit – das ist wie Kapital ein großer Vermögenswert. Wenn du aber ein ganzes Kapital auf der Straße findest, dann brauchst du keinen Ruf der Ehrlichkeit mehr.”
Wer allerdings Ehrlichkeit als Orientierung und Bestandteil seiner Lebensziele mit aufgenommen hat antwortet als ehrliche Mutter allerdings eher auf die Frage ihrer Tochter “Mama, was ist das: Ehrlichkeit?”:
Ehrlichkeit ist eine Vision. Ehrlichkeit ist die Voraussetzung für Ehrbarkeit. Im Wesentlichen in zwei Bereichen:

  • Ehrlichkeit im Reden, was bedeutet, immer die Wahrheit zu sagen
  • und Ehrlichkeit im Handeln, was z.B. bedeutet, andere nicht zu täuschen und zu betrügen.

Jeder Mensch braucht Moral und Anstand. Wie der Fisch das Wasser zum leben. Jeder Mensch hat Moral und Anstand und sucht es auch stets bei seinem Gegenüber. Der eine vielleicht weniger als der andere. Und der andere vielleicht dafür etwas mehr. Der Mensch ist einzigartig und in seiner Ausprägung vielfältig. Der eine ist geprägt von einer nachhaltigen Unternehmensführung und der andere vom kurzfristigen Gier-Effekt und der Neigung, sich den Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, in der er lebt, zu entziehen. Schon Franz von Sales (1567 – 1622), französischer Theologe, brachte es auf den Punkt: „Es gibt drei Arten von Gütern für den Menschen auf dieser Welt: das Nützliche, das Angenehme und das Ehrenhafte, und wir werden zu allem Unterfangen und zu allem Tun durch eines dieser drei Mittel angeregt:

  • entweder durch den Nutzen
  • oder durch das Vergnügen
  • oder durch die Ehrbarkeit.“

Liebes Kind, lass uns verstärkt gemeinsam eine Vision der Ehrbarkeit verfolgen. Die Ehrlichen werden die Unehrlichen übertrumpfen. Sei stets ehrlich und glaubwürdig und lass Dich nicht durch Bestechung von Deinem ehrbaren Weg abhalten. Erbaue Dir ein größtmögliches Vertrauen und eine überdurchschnittliche Reputation. Verweigere Dich der Verführung durch die „Unehrlichen“. Dann wirst Du ein reicher und vermögender Mensch. Die Zukunft wird Dir zeigen, dass Glaubwürdigkeit und Reputation die Währung unserer Zukunft sind. Ein Vermögenswert, den Du schnell und ohne Andere gewinnen und erwerben kannst. Ein Kapital, welches Du nicht zufällig „auf der Straße“ finden musst. Dieser Wert wächst Dir automatisch durch das Anwenden und Vorleben Deiner Werte wie Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit zu.


Perspektivenwechsel – von der Governance des Unternehmens zur persönlichen Governance

Erfolgreiche Führung ist immer mit Blick auf die Zukunft, also nachhaltig in der zeitlichen Dimension, ausgestaltet. Dazu ist vor allem Mut zur Verantwortung gefragt: Mut über das Tagesgeschäft oder den Quartalsbericht hinaus zu denken. Mut, dem Wichtigen im Zweifel Vorrang vor dem Dringlichen zu geben. Das bedeutet nicht nur das Abwägen zwischen kurzfristigen und langfristigen Folgen, sondern auch das Verfolgen verschiedener Zieldimensionen ausschließlich und stets zum Wohle des Unternehmens. Gewinnerzielung, Umweltschonung und Mit­arbeiterorientierung müssen ausbalanciert werden. Das erfordert Mut und Tapferkeit.

Neben allen Mitgliedern der Geschäftsführung müssen sich auch alle Mitglieder des Beirats und Aufsichtsrat stetig fragen: Bin ich tapfer genug? Bin ich mutig genug? Habe ich stets alle Informationen erforscht? Frage ich immer engagiert nach? Will ich entscheiden? Das sind für ehrbare Führungskräfte die Kern-Fragen, die sie sich in ihrer Tagesarbeit stellen müssen. Tapferkeit hat weniger mit Risiken und Gefahren zu tun, denen man sich aussetzt, sondern vor allem mit der eigenen Überzeugung und der persönlichen Sinn- und Werte-Orientierung. Wofür setze ich mich ein? Wofür stehe ich? Lohnt es sich dafür im ethischen Sinne mutig zu kämpfen? Habe ich Rückgrat?

Was ist nun die Basis für diese Tapferkeit und für diesen Mut? Wo schöpft die ehrbare Führungskraft diese Kraft? Meiner Meinung nach sind Unabhängigkeit, Persönlichkeit und Charakter die entscheidenden Kraftquellen für gelebte Tapferkeit und Mut.

Wissen und Erfahrung brauchen Charakter. Personen mit viel Wissen und erfolgreicher Erfahrung müssen nicht notwendigerweise gute Führungskräfte sein. Wissen und Erfahrung ohne Charakter ist vielleicht sogar gefährlich. „If you’re looking for a manager, find somebody who is intelligent, energetic and has integrity. If they don’t have the last, be sure they don’t have the first two. If you have somebody who lacks integrity, you want them to be dumb and lazy” empfiehlt schon Warren Buffett (*1930), US-amerikanischer Unternehmer. Wissen und Erfahrung muss zwingend ergänzt sein um eine Sinn- und Werte-Orientierung, um Charakter.

Wir brauchen in der fortlaufenden Corporate Governance Diskussion einen Perspektivenwechsel: von der Governance des Unternehmens zur persönlichen Governance des Topmanagers. Es geht dabei um ein neues Managementverständnis: um reflektierte Selbsteinschätzung und Selbstüberprüfung, um ethisches Management. Eine in vielen Belangen vielfältige und umfassende Unabhängigkeit ist dabei der wichtigste aller „Personal-Governance-Grundsätze“, der eigene und fremde Ansprüche an Haltung und Verhalten von Beiräten und Aufsichtsräten (und natürlich auch Vorständen und sonstigen Führungskräften) konkretisiert.

Ehrbare Führungskräfte müssen allein zum Wohle und im Sinne des Unternehmens entscheiden können, ohne Rücksichtnahme auf persönliche Bindungen oder eigene Interessen.


Selbstreflexion beginnt bei der eigenen Persönlichkeit und Charakter

Ein neues Wort macht prominent die Runde: Selbstreflexion, d.h. die Selbstbeobachtung des eigenen Verhaltens durch eigenes, prüfendes und vergleichendes Vor- und Nachdenken.

Die Herausforderungen an die digitale Transformation in diesen disruptiven und schnelllebigen Zeiten erfordern für unsere Entscheidungsträger sowohl in der Wirtschaft als auch in unserer Zivilgesellschaft ein verstärktes „Vordenken“.
Wie die großen Vordenker vor ihnen denken sie, was vorher noch niemand gedacht hat. Sie verstehen Veränderung als Chance und Innovation als Katalysator für ihre „licence-to-operate“, für zukünftiges Wachstum und sichern somit nachhaltig den Erfolg ihrer Organisationen.
Sie lassen sich in ihrer täglichen operativen Verantwortung nicht ablenken. Sie haben für Denken genügend Zeit und Ruhe; Zeit und Ruhe anstehende komplexe Situationen und Probleme intensiv „zu Über-Denken“.
Zu diesem „Über-Denken“ gehört auch das regelmäßige Überdenken und In-Frage-Stellen der eigenen Person. Dies sollte für Führungskräfte (z.B. Aufsichtsräte, Vorstände und Manager) eine Selbstverständlichkeit sein.

Ehrbare Führungskräfte haben die Fähigkeit zur (Eigen-) Reflexion, des Überdenkens und Unterbrechens, weil sie emotional, materiell und persönlich unabhängig sind. Unabhängigkeit bedeutet im Wesentlichen geistige Freiheit: Freiheit, die es z.B. jedem tapferen und mutigen Mitglied des Aufsichtsrats ermöglicht, ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen und agierenden Personen zu üben und auszusprechen.

Ehrbare Aufsichtsräte z.B. kritisieren und widersprechen bei Bedarf auch ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden und/oder dem Mehrheitsaktionär (einschließlich Vertretern von sogenannten Private Equity Häusern) zum Wohle des Unternehmens – ganz im Sinne des griechischen Staatsmanns Perikles (ca. 490 v. Chr. – 429 v. Chr.) „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“.

Dazu muss die ehrbare Führungskraft im Vorfeld sich selbst gegenüber ehrlich sein und zahlreiche Fragen in einer Selbsteinschätzung und Reflexion beantworten. Dazu gehören leider auch ‚viele Fragen, deren Antworten man nur schwer ertragen kann’. Insbesondere die wichtigste Frage: ‚Will ich nur oder kann ich auch’? Ganz im Sinne von dem deutschen Komiker Karl Valentin (1882 – 1948) „Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen.“

Bei der Lektüre der aktuellen Nachrichten ist man aber oft geneigt, zu denken: „Die es können, wollen nicht, und die wollen, können es nicht“.


Ethical Due Diligence

Unter einer Due Diligence verstehen wir im Allgemeinen die „sorgfältige Prüfung und Analyse eines Unternehmens, insbesondere im Hinblick auf seine wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse, die durch einen potenziellen Käufer eines Unternehmens vorgenommen wird“. Ziel einer Due Diligence ist also sich so weit wie möglich abzusichern, dass die Annahmen und Voraussetzungen, auf die sich ein Kaufangebot für ein Unternehmen bezieht, zutreffen und alle relevanten Risiken identifiziert worden sind.“

 Meiner Meinung nach ist neben einer sorgfältigen Prüfung im Hinblick auf wirtschaftliche, rechtliche, steuerliche, finanzielle und gegebenenfalls marktbezogene, soziale oder umweltbezogene Verhältnisse eine Prüfung der ethischen Verhältnisse im Unternehmen ebenfalls angebracht. Dazu gehört nicht nur die Feststellung nach welchen „Soll-Vorstellungen“ das Unternehmen in Form von Vorschriften (z.B. Code of Conducts, Deutscher Corporate Governance Kodex, UN Global Compact, ILO, “Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft”) agieren will, sondern insbesondere wie die Mitarbeiter und zu allererst deren Führungskräfte diese Werte leben und im Tagesgeschäft anwenden und umsetzen. Welche moralischen Wertvorstellungen und Ideale hat das Unternehmen und wie unterstützen diese den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg? Diese Werte, die sogenannte „Unternehmens-Kultur“ gilt es also festzustellen und auf Kompatibilität mit der „Unternehmens-Kultur“ des übernehmenden Käufers abzugleichen. Sonst ist der Ruf nach einem „Kulturwandel“ groß – vgl. die jüngsten „Rufe“ bei der Deutschen Bank und bei Volkswagen.

Nicht nur beim „Einkaufen” von neuen Unternehmen sondern auch beim „Einkaufen“ weiterer Führungskräfte sollte ein Unternehmen diese ethische Sorgfaltspflicht anwenden. Das Institute für Business Ethics in London hat bereits 2010 ein Business Ethics Briefing mit dem Thema „Ethical Due Diligence in Recruitment“ herausgegeben mit Anleitungen und Praxisbeispielen. Fragen in folgenden ethischen Bereichen sollten mit der zukünftigen Führungskraft ausführlich besprochen werden:

  • Angemessene Führungskraft-Vergütung (z.B. Manager-Boni und deren Höhe)
  • Nationale und internationale Steuervermeidungspraktiken (z.B. Steuer-Oasen)
  • Diskriminierung von Beschäftigten (z.B. Gender, Kultur, Alter)
  • Bestechung und Korruptionspraktiken (z.B. in Vertriebsländern mit anderen Kulturen)
  • Faire und transparente Preisgestaltung für Produkte und Leistungen (z.B. access to medicine)
  • Belastungsgrad der Mitarbeiter (z.B. work-life-balance, Handy-Erreichbarkeit)
  • Behandlung der Lieferanten (z.B. Pricing) und Wissen über die Lieferanten (z.B. Pakistan)

 Es geht in allen Bereichen um zukunftsfähiges Führungsverhalten und um die Kernfrage: Welche Werte sind mir als Führungskraft – privat und beruflich – wichtig? Entspricht die Summe der wesentlichen persönlichen Werte aller Führungskräfte nicht den Wertvorstellungen des Unternehmens (vertreten durch Eigentümer und Aufsichtsgremien) kommt es zu einer „Vorspiegelung falscher Tatsachen“ – sowohl intern als auch extern – und beeinträchtigt den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens zwangsläufig. Ein „Walk the Talk“ ist also nur vorgetäuscht und wird von vielen nicht mehr akzeptiert. Eine Ethical Due Diligence ist meiner Meinung nach beim Kauf eines Unternehmens und dem Einstellen von weiteren Führungskräften genauso notwendig wie die „klassische“ Prüfung und Analyse im Hinblick auf seine wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse. Eine nachhaltige Unternehmensführung ohne Wertorientierung ist nicht möglich. Diese Wertorientierung wird in den Köpfen und in den Taten der involvierten Menschen gelebt. Diese zu kennen, ist unabdingbar.


Entschleunigung 

 „Es gibt mehr im Leben zu tun, als dessen Lauf zu beschleunigen“, wusste schon Mahatma Gandhi, (1869 – 1948).

Auch wir sollten uns etwas entschleunigen. Auch wir sollten uns fragen, ob unsere aktuellen Verhaltenskriterien wirklich die richtigen sind? Auch wir sollten z.B. „Größer“ (z.B. Great Again), „Schneller“ (z.B. Digitalisierung), „Maßloser“ (z.B. Globalisierung) und „Polemischer“ (z.B. alternative Fakten) ersetzen durch

  • Intelligenter im Denken
  • Ehrlicher im Sprechen
  • Qualitativer im Handeln
  • und Anständiger im Sein.

Einfach langsamer und entschleunigender unseren Lebensalltag gestalten! Achtsamer und aufmerksamer mit uns selbst umgehen! Z.B. nicht immer und überall via Telefon, E-Mail, SMS etc. erreichbar sein. „Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge“ wusste schon Wilhelm Busch (1832 – 1908), deutscher Dichter und Zeichner.

Warum denken wir immer, als Gewinner gilt prinzipiell nur „der Schnellste“, der als Erster das Ziel, neue Märkte und Kunden erreicht. Mit fragwürdigen Produkten (z.B. „Sollbruchstellen“) und intransparenter Preisgestaltung (z.B. „Tarifdschungel“). Warum sehen wir oft „den Ehrlichen“ als schwach und dumm an und „den Lügner“ verehren und tragen wir auf Händen? Die letzten Wirtschafts- und Finanzkrisen haben deutlich gezeigt, das „Größer“, „Schneller“, und „Maßloser“ nicht unbedingt mit einer besseren Unternehmensstrategie gleichzusetzen ist. Dass fehlender Anstand verheerende Folgen hat!

Wer sein Handeln entschleunigt und seine Produkte mit mehr Intelligenz, Qualität und Nachhaltigkeit anreichert, sichert mittel- bis langfristig seinen Erfolg und Ansehen beim Kunden. Schnelles Wachstum ist nicht alles. Ohne Ehrlichkeit als Grundvoraussetzung kann keine Ethik und Moral entstehen. Ohne Ehrlichkeit ist eine Sinn- und Werte-Orientierung und Anstand nicht möglich. Leider vergessen wir gelegentlich die Tugend der Ehrlichkeit und der Rechtschaffenheit. Der eine mehr. Der andere weniger. Der eine absichtlich und der andere unbewusst. Aber wir können es ändern! „Keine Zeit ist so erbärmlich, dass man nicht wieder ehrlich werden könnte“ erkannte schon der englische Dramatiker William Shakespeare (1564 – 1616).

Entschleunigung heißt nicht nur Reduzierung der Geschwindigkeit, sie setzt beim Suffizienzprinzip an, einer neuen Form der Bedürfnisbefriedigung und Genügsamkeit. Das Konsumverhalten, der ganze Lebensstil einer Gesellschaft muss sich ändern, um den Prozess einer nachhaltigen und anständigen Entwicklung in Gang zu setzen. Jeder einzelne entscheidet dabei die Geschwindigkeit aktiv mit. Entschleunigung und Ehrlichkeit ist etwas für starke und mutige Menschen. Schwache Menschen wählen die nutzlose Raserei und die Lüge.


Compliance und Nachhaltigkeit gehören zusammen

Compliance und Nachhaltigkeit müssen im Unternehmen enger verzahnt und über die Unternehmensgrenzen hinaus implementiert werden. Dabei sind Nachhaltigkeit und Compliance nur dann glaubwürdig, wenn es von der Unternehmensführung einschließlich Aufsichtsrat gelebt wird.

Unternehmensverantwortung muss im unternehmerischen Geschäftsmodell enthalten sein und aktiv und nachhaltig gesteuert werden. Dieses „Gebäude der Unternehmensführung und -steuerung“ bzw. Unternehmensverantwortung (CR – Kern der Nachhaltigkeit) ruht auf drei Säulen: Verantwortungsbewusste Unternehmensverfassung (CG), gesellschaftliches Engagement von Unternehmen (CC) und dem Gleichklang von ökonomischer, ökologischer und sozialer Unternehmenstätigkeit (CSR – Nachhaltigkeit im weiteren Sinne). Diese Nachhaltigkeits-Verantwortung wird in immer mehr Unternehmen aktiv gelebt – insbesondere im Mittestand. Immer mehr Unternehmen haben erkannt, dass nur eine nachhaltige Unternehmensführung die „Licence-to-Operate-Garantie“ sein kann. Nachhaltige Unternehmensführung als ein langfristig ausgerichtetes, wertebasiertes und gegenüber Menschen und Umwelt Verantwortung forderndes, gelebtes Konzept ist immer mehr zu einem Wettbewerbsvorteil geworden – insbesondere aufgrund der komplexer werdenden Globalisierung. Compliance und Nachhaltigkeit müssen als integriertes Managementsystem im Unternehmen agieren und die gesamte Wertschöpfungskette (z.B. Drittparteien wie Berater, Vertriebs-Intermediäre, Zulieferer oder auch Joint-Venture-Partner im In- und Ausland) abdecken. Nur so werden Friktionen und Widersprüche vermieden und Synergien zur Steigerung des Unternehmenserfolges ausgeschöpft.

Compliance und Nachhaltigkeit sind die obersten Aufgaben von allen wesentlichen Entscheidungsträgern (Gesellschafter, Aufsichtsrat, Geschäftsleitung). Und diese zentralen Aufgaben benötigen eine einheitliche Sinn- und Werte-Orientierung im Interesse und zum Wohle des Unternehmens. Dabei muss die Vision, Strategie und die operative Zielorientierung des Unternehmens sowohl in der Aufsicht und Beratung durch den Aufsichtsrat als auch in der Führung und in dem Handeln der Geschäftsleitung auf einander abgestimmt und nachvollziehbar sein. Abweichungen müssen in einem effizienten und effektiven Compliance- und Integritätsmanagementsystem zeitnah aufgedeckt und abgestellt werden. Interessen und Sorgen der Mitarbeiter müssen ernst genommen werden. Das Potenzial von Risikohinweisen und Kritik von innen und außen muss genutzt werden. So entsteht eine Fehlerkultur, die Fehler und Kritik als Chancen begreift und ihre wirklichen Ursachen angeht, statt Sündenböcke zu suchen. Somit befruchtet und garantiert Compliance eine erfolgreiche Nachhaltigkeit des Unternehmens.


Für mehr Unabhängigkeit und Narrenfreiheit in Aufsichtsräten

Im deutschen Corporate-Governance-System überwacht der Aufsichtsrat den Vorstand und greift gegebenenfalls zum Wohle und Interesse der Gesellschaft in dessen Entscheidungen ein. Unabhängigkeit in allen Aspekten ist hierbei Voraussetzung. Unabhängigkeit sowie die Vermeidung von Interessenskonflikten sind deshalb einer der Arbeitsschwerpunkte der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex  gerade in diesem Jahr der Reformbemühungen der Kommission.

Vielleicht sollte die Kommission einen Blick in die ferne Vergangenheit werfen. In ähnlich starren und überreglementierten Systemen hat ein weiser König neben seinen Beratern einen Hofnarren beschäftigt, dessen oberste Aufgabe es war, notwendige Wahrheiten jederzeit und sanktionsfrei auszusprechen. Diese Hofnarren waren eine soziale Institution zulässiger Kritik. Schon 2001 fragten Wütherich, Winter und Philipp in ihrem Buch „Die Rückkehr des Hofnarren“, ob die Wiedereinführung eines wie auch immer gearteten „Hofnarren“ (CCJ = Chief Court Jester) zu einer Verbesserung führe – so wie sich manche Unternehmen eine Verbesserung durch Einführung eines Ethik- und Compliance-Vorstands erwarten. 2002 forderte Bruno S. Frey die Einführung „spezialisierter Bedenkenträger“ in Schweizer Verwaltungsräten, die systematisch in der Opposition stehen – im Sinne eines Advocatus Diaboli.

Unabhängigkeit bedeutet nicht nur das Nichtvorhandensein einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand. Unabhängigkeit bedeutet im Wesentlichen „mehr geistige Freiheit“. Freiheit zur Reflexion, zum Überdenken und Unterbrechen. Damit Aufsichtsräte diese Fähigkeit zur (Eigen-) Reflexion, des Überdenkens und Unterbrechens entwickeln können, müssen sie emotional, materiell und persönlich unabhängig sein. Dadurch gewinnen sie die geistige Freiheit: Freiheit, die es ihnen erlaubt,  tapfer und mutig, ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen und agierenden Personen zu üben und auszusprechen. Aufsichtsräte verstehen sich als Verantwortungsträger und akzeptieren neben der inneren auch externe persönliche Evaluation und Beurteilung durch andere. Durch diese (externe) Reflexion beugen sie einer eventuellen Selbsttäuschung und einer eigenen Fehleinschätzung vor.

Diese tatsächliche Unabhängigkeit ist zwingend, um richtig zu entscheiden und zu handeln und ist das Fundament nicht nur für effektives und effizientes Risiko- und Compliance-Managementsystem. Sie erlaubt ihnen, bei Bedarf auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und/oder den Mehrheitsaktionär (einschließlich Vertretern von sogenannten Private Equity Häusern) zum Wohle des Unternehmens zu kritisieren und zu widersprechen. Also eine Art Narrenfreiheit.


Jeder muss Vertrauen haben und Vertrauen geben

Nicht nur aufgrund der aktuellen politischen Auseinandersetzung innerhalb der Regierungsbildung und Durchsetzung oder in der never-ending-story Diesel-Affen-Problematik wird über Vertrauen diskutiert. So verlangt z.B. Kanzlerin Angela Merkel von der Automobilindustrie „verspieltes und zerstörtes Vertrauen rasch wieder herzustellen“. Und Sigmar Gabriel sieht „sein Vertrauen in seine Partei als verloren an“.

Wie kann verlorenes Vertrauen, sofern es jemals bestand, zurück gewonnen werden?

Vertrauen ist die subjektive Überzeugung (auch Glauben) von der Richtigkeit, Wahrheit bzw. Redlichkeit von Handlungen, Einsichten und Aussagen eines anderen oder von sich selbst (Selbstvertrauen). Das Gegenteil ist Misstrauen. Das Vertrauen in ein Unternehmen wird nicht umsonst als „Vertrauenskapital“ bezeichnet und das Fehlen in der Bilanz hat gelegentlich eine größere Bedeutung als das Fehlen von Finanzkapital. Oder um den US-amerikanischen Schriftsteller Henry Louis Mencken zu zitieren: „Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen sogar dann glauben zu können, wenn  man weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde“.

Die Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens misst sich an der anhaltenden und nachhaltigen Verlässlichkeit den Wirtschaftspartnern gegenüber. Verlässlichkeit ist das Einhalten von mündlichen und schriftlichen Versprechungen und zwar zum nachhaltigen Wohl des Anderen, des Wirtschaftspartners, zum Wohle des Menschen und nicht nur zu seinem eigenen Wohl.

Eine nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmensführung muss dazu beitragen verlorenes Vertrauen (wieder) zu gewinnen.

Jeder kann dazu beitragen. Jeder muss wieder Vertrauen haben und Vertrauen geben. Jeder muss intensiv und schnell daran arbeiten, dass auch und gerade in seine eigenen Person wieder mehr vertraut wird. „Keine Zeit ist so erbärmlich, dass man nicht wieder ehrlich werden könnte“ wusste schon William Shakespeare.


Nachhaltigkeit ohne Compliance ist nicht glaubwürdig

Führung basiert auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit

Führung ist die Kunst Menschen zu überzeugen und sie zur Gefolgschaft einzuladen, sodass sie freiwillig das tun, was ich, als Führungskraft für das Richtige halte für mein Unternehmen. Also nicht ich „mache“ mich zum Führer, sondern meine Mitarbeiter entscheiden, ob ich ein Führer „bin“.  Nicht ich erschaffe ein erfolgreiches Unternehmen, sondern meine Kunden entscheiden, ob meine Produkte kauffähig sind.

Compliance bzw. Regeltreue

Die Prävention von Rechtsverstößen und Gesetzesverletzungen in Unternehmen (= Compliance bzw. Regeltreue)  nimmt derzeit eine Top-Position in der Debatte um eine verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmensführung ein. Beinahe losgelöst hiervon wird (oft unter dem Label “CSR“ = Corporate Social Responsibility) diskutiert wie Unternehmen durch ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement die beiden Maximen “Keep us out of trouble” und “Make our business better and sustainable” gleichzeitig erfüllen können.

Konvergenz von CSR und Compliance

Wenn gelebte Nachhaltigkeit bzw. CSR zur kontinuierlichen Wertsteigerung im Unternehmen beiträgt, stellt sich die Frage nach der Konvergenz von CSR und Compliance. Beide haben als unverzichtbare Grundlage ein geeignetes, also wirkungsvolles, angemessenes und konsequentes (mit Sanktionen hinterlegtes)  Compliance- und Integritäts-Management-System.

Mit einfachen, eindeutigen und lebensnahen integrierten Regeln können Friktionen und Widersprüche vermieden und Synergien zur Steigerung des Unternehmenserfolges ausgeschöpft werden. Wesentliche Synergien bestehen in der ganzheitlichen Umsetzung ökonomischer, ökologischer und sozialer Themen. Regelungen zu Anti-Korruption, Geldwäsche, Wettbewerbsregeln, Umweltstandards und Menschenrechten und können nicht isoliert betrachtet werden.

Dabei hilft Konvergenz; das innovative Zusammenwachsen verschiedener unternehmerischer Bereiche und Inhalte zur fachübergreifenden Zusammenarbeit mit dem Ziel einer effizienteren und effektiveren Aufgabenbearbeitung. Konvergenz muss also mit konkreten Themen und Inhalten ausgefüllt werden.

Nachhaltigkeit ist ohne Compliance nicht glaubwürdig.

Nur eine transparente, verantwortungsvolle, authentische und nachhaltige Unternehmensführung schafft Vertrauen. Agieren muss kohärent sein – ohne Doppelzüngigkeit. Nichts untergräbt die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und das Vertrauen seiner Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden mehr als großes Nachhaltigkeits-Engagement nach Außen gepaart mit schlechten Arbeitsbedingungen und Non-Compliance im Inneren des Unternehmens. Feigenblätter werden heute sehr schnell erkannt.

Es hilft, regelmäßig die Einhaltung der Sinn- und Werte-Orientierung, aller Gesetze und Richtlinien zu überprüfen.  Das gilt ebenso für die freiwilligen Kodizes der Unternehmen. Oder wie Winston Churchill es formuliert hat: „Wie schön die Strategie auch sein mag, man sollte hin und wieder mal die Ergebnisse betrachten“. Ohne Compliance ist Nachhaltigkeit nicht glaubwürdig.