Für einen Paukenschlag sorgte eine Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 12. März 2019 mit der Schlagzeile: “Einheitlicher Schutz für Whistleblower in der ganzen EU beschlossen”. „Hinweisgeber tun das Richtige für die Gesellschaft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden“, sagte der Erste Vizepräsident Frans Timmermans. Věra Jourová, Kommissarin für Justiz fügte hinzu: “Ich freue mich, dass wir uns auf ein ausgewogenes System geeinigt haben, mit dem Arbeitgeber ermutigt werden, Probleme intern zu lösen, Hinweisgeber aber gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, sich an Behörden zu wenden, ohne Angst vor Vergeltung haben zu müssen.“ Nach der EU-Initiative werden alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet, effiziente und wirksame Meldekanäle einzurichten. Die Plausibilisierung der Hinweise – vorzugsweise durch Ombudsmänner – und – bei Verdacht auf Complianceverstöße – die Einleitung einer Internal Investigation zur Sachverhaltsaufklärung rückt so auf die Agenda des Managements. Best Practice sind digitale Plattformen, die die geforderte Anonymität ermöglichen. So “garantiert” das Bundeskartellamt dem Whistleblower: “Eine technische Rückverfolgung Ihres Hinweises ist unmöglich. Das System ist von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zertifiziert und wird auch in der Korruptionsbekämpfung bekannter Unternehmen sowie bei Landeskriminalämtern und Polizeibehörden verwendet. Bitte achten Sie darauf, dass Sie selbst keine Informationen eingeben, die Rückschlüsse auf Ihre Person zulassen.” Solche Systeme werden sich auch im Mittelstand verbreiten. Damit diese dann auch genutzt werden, müssen Mitarbeiter nach dem Prinzip “Tone from the Top” spüren, dass Compliance von ganz oben getragen wird. Eine von der Geschäftsleitung initiierte SPEAK-UP Culture soll Mitarbeiter ermutigen, Hinweise auf Compliance-Verstöße intern zu melden. Das Vertrauen schwindet, wenn im Unternehmen ein generelles “Klima der Angst” herrscht. Die Befürchtung, unter dem Deckmantel der Anonymität nutzen Hinweisgeber den geschützten Kanal, um gezielt Kollegen in Misskredit zu bringen, kann durch wissenschaftliche Studien nicht belegt werden. Eine Studie der HTW Chur “Whistleblowing Report 2018” hat festgestellt: “Missbräuchliche Meldungen, die lediglich opportunistischer Natur sind und dazu dienen, jemanden gezielt anzuschwärzen, sind ein seltenes Phänomen. Lediglich 3 Prozent der Meldungen werden als missbräuchlich eingestuft.” Auch können solche Meldungen mit einer Plausibilitätsprüfung sehr gut herausgefiltert werden. Wird die Identität des Whistleblowers aufgedeckt, so kann dies bei schweren Compliance-Verstößen (Straftaten) für den Whistleblower sehr gefährlich werden. Als ultima ratio muss der Whistleblower auch die Möglichkeit haben, sich an die Presse zu wenden. Hierzu hat sich Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, im Dezember 2018 in seiner Kolumne wie folgt geäußert: “Das Berichten über illegale Geheimnisse ist Aufgabe einer Presse, die „frei“ und deren Freiheit Teil dessen ist, was „konstituierend“ für den Rechtsstaat unseres Verständnisses sein soll.” Fazit: Für die Unternehmen muss gelten: In der Compliance Trias PREVENT – DETECT – RESPOND darf der Whistleblower nicht auf der Strecke bleiben. Sonst wird das wichtige Thema Whistleblowing im “Compliance Life-Cycle” noch ein Fall für die strenge Organhaftung und die D&O-Versicherung.