Der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist seit seinem Amtsantritt am 20. Januar 2017 in erster Linie durch eines aufgefallen: Er vertritt nachdem er gewählt wurde dieselben Positionen, die er bereits im Wahlkampf vertreten hat. Von Alfred Herrhausen, dem aufgrund seiner Gradlinigkeit sehr geschätzten ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank AG, stammt folgendes Zitat: „Wer sagt, was er denkt – richtig, fehlerfrei denkt – und tut, was er sagt und dann auch ist, was er tut, hat bei vielen Adressaten Erfolg, für die persönliche Glaubwürdigkeit ihren Stellenwert noch besitzt.“ (Weidemann, Denken, Ordnen, Gestalten: Reden und Aufsätze, 1990, S.71) Nach der Wahl Trumps zum Präsidenten wurde hierzulande in unterschiedlichen Talkshows durchaus kontrovers darüber debattiert, ob damit zu rechnen sei, dass Trump so handeln wird, wie er es vor seiner Wahl angekündigt hat. Alleine die Tatsache, dass sich mit der Diskussion über diese Frage Fernsehabende und Zeitungsseiten füllen ließen zeigt, dass wir uns offensichtlich nicht nur von der Möglichkeit verabschiedet haben, dass Politiker ihre Wahlversprechen in die Tat umsetzen könnten. Wir sind zusätzlich sogar irritiert bis schockiert, wenn das Unerwartete passiert: Das Meiste von dem, was Trump in den ersten Wochen auf den Weg gebracht hat, war bereits Bestandteil seines Wahlprogramms und war insofern nicht wirklich überraschend. Die Debatte darüber, ob ein führender Politiker tatsächlich das tun wird, was er vorher angekündigt hat zeigt, dass wir selbst nicht mehr an die absolute Gültigkeit von Werten glauben.
Hinter dem Wort „Wert“ versteckt sich der Anschein von etwas nicht Widersprechbarem. Entsprechend gelten Glaub- und Vertrauenswürdigkeit, Verbindlichkeit und Wahrhaftigkeit als absolute Werte. Allerdings führt ihre Absolutheit auch dazu, dass ihre Sinnhaftigkeit nicht mehr hinterfragt wird. Wenn es um Glaubwürdigkeit ginge, hätte der amtierende amerikanische Präsident alles richtig gemacht. Das Störgefühl, dass sich bei dieser Aussage einstellt zeigt, dass es an der Zeit sein könnte, unseren Umgang mit Werten zu hinterfragen. Die Absolutheit, mit der wir die Einhaltung von Werten fordern, verstellt uns den Blick auf eine Frage, die wir uns nicht zu stellen wagen: Kann es sein, dass es mehr auf die Motive einer Person als darauf ankommt, dass jemand Glaubwürdigkeit gezeigt hat? Das Beispiel Trump macht deutlich, dass wir gut beraten sein könnten, nicht dogmatisch die Einhaltung von Werten zu fordern. Stattdessen könnten wir uns nach den Zielen fragen, die ein Mensch mit seinem Handeln verfolgt und ihn danach beurteilen, ob er Schaden von unserer Gesellschaft und von den Menschen abwenden konnte.