Auch wenn es sich diesmal abgesehen von den Wahlplakaten kaum aufdrängt: Wir befinden uns im Wahlkampf. Insbesondere dieser Wahlkampf lebt, initiiert durch die von Martin Schulz ins Spiel gebrachte „soziale Gerechtigkeit“ von dem auf unterschiedlich überzeugende Art und Weise vorgetragenen Bestreben, die Gemeinschaft, in der wir leben, gerechter zu machen. Dabei wird die Stimme der Egalitaristen, die sich mit dem Argument, die ökonomische Ungleichheit bedrohe die Stabilität unserer Gesellschaft zu Wort melden, zunehmend lauter. Statt sich in erster Linie für mehr Chancengleichheit einzusetzen, die zum Beispiel allen Mitgliedern einer Gesellschaft Zugang zum Bildungssystem ermöglicht, fordern sie vielmehr Ergebnisgleichheit und eine Gesellschaft, in der alle gleich viel haben müssen.
In dieses Konzept passt die Ökonomie des Teilens. Der US-amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin ist davon überzeugt, dass die Ökonomie des Teilens den Niedergang des Kapitalismus einläuten und zu einer Weltgemeinschaft führen wird, in der wir es vorziehen, Dinge gemeinsam zu besitzen, statt profitorientiert zu denken und zu handeln.
Am 08. Juni 2017 fand in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema Sharing Economy Zwischen Weltverbesserung und Milliardengeschäft statt. Auf dem Panel saßen mehrheitlich Vertreter der Sharing Economy; unter anderem der Leiter Finanzen und Zentrale Dienste von Wikimedia Deutschland e.V., die sich auf ihrer Internetseite als „weltweite Bewegung, die sich für die Idee des Freien Wissens einsetzt“ präsentiert. Es ging bei der Podiumsdiskussion um die Frage, welche Konzepte der Ökonomie des Teilens es bereits gibt, wie sie gelebt werden und wie sich durch sie unsere Gesellschaft verändern wird wenn sie sich durchsetzt. Der Ansatz bedient den Mainstream der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen.
Dass wir faktisch von einer dritten industriellen Revolution durch die Sharing Economy noch meilenweit entfernt sind, wurde in Berlin allein dadurch deutlich, dass von den anwesenden etwa einhundert Gästen nur eine Handvoll Personen angaben, bereits an Programmen wie Airbnb oder Car-Sharing zu partizipieren. Es sieht danach aus, als würde sich in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren die Ökonomie des Teilens nur in kleinen Schritten realisieren lassen und sich vermutlich nicht so bald als neue Wirtschaftsordnung durchsetzen.
Teilen und Profitorientierung werden nicht nur bei Jeremy Rifkin, sondern gleichermaßen in den Augen maßgeblicher Vertreter der Sharing Economy als ein Gegensatzpaar angesehen. Auch das wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion in Berlin deutlich. Insbesondere seitens des Vertreters von Wikimedia wurde mehrfach betont, das eigene Geschäftsmodell sei in erster Linie deshalb wertvoll, weil niemand davon einen ökonomischen Nutzen hat. Plattformen wie Wikipedia sind als frei zugängliche Wissenspools sinnvoll, aber wäre eine solche Plattform wirklich weniger wert, wenn jemand einen ökonomischen Nutzen davon hätte?
Derartige Fragen stellen wir uns viel zu selten. Auch die Compliance ist ein lebendiges System, das immer wieder hinterfragt und an die realen Gegebenheiten angepasst werden muss. Nicht nur bezogen auf die anstehende Bundestagswahl und deren Ausgang könnte es uns auf die Füße fallen, dass wir viel zu häufig das abnicken, was sich gut und richtig anhört ohne zu hinterfragen, ob es tatsächlich gut und richtig ist.