Auch wenn Wachstum und Profit entscheidende Leitlinien für das tägliche unternehmerische Handeln bleiben – das Denken in größeren Zusammenhängen wird immer wichtiger. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen ist gelebte Corporate Compliance. Im Unterschied zu nur auf dem Papier vorhandenen Compliance-Richtlinien bezieht sie den menschlichen Faktor als handelnde Person mit ein. Denn allein die Beachtung von Standards und Normen, verbunden mit der doch häufig trügerischen Sicherheit von Zertifizierungen, die im Zusammenhang mit Compliance Management durchgeführt werden können, reichen nicht aus. Corporate Compliance muss top-down vorgelebt werden auf Basis der Werte und des Verhaltens der Führungsmannschaft.
Um Compliance wirksam in Unternehmen zu verankern, ist es erforderlich, zu verstehen, wie Menschen in komplexen Arbeitsumfeldern, schwierigen Entscheidungssituationen oder Krisen funktionieren und wie sie gezielt daran arbeiten können, diese Herausforderungen trotz Druck zu meistern. Der Schlüssel dazu liegt im persönlichen “State-Control“. Unter „state“ versteht man die Summe aller neurologischen und emotionalen Prozesse, die zu irgendeiner Zeit in einem Menschen entstehen. „State-Control“ ist die Fähigkeit unseres Gehirns, Emotionen im Alltag zu managen und Teil jeder Entscheidung, die wir treffen. Bewusst oder unbewusst. Menschen, die über eine gute Fähigkeit ihren „state“ kontrollieren zu können, verfügen, reagieren in Krisensituationen entspannter und treffen bessere Entscheidungen.
Dafür ist im Gehirn der Präfrontale Cortex (PFC) verantwortlich. Er gilt als unser Emotions- oder State-Manager. Er sorgt dafür, dass wir agieren und nicht nur reagieren. In kritischen Situation – also z.B. in einer Compliance-Krise – lenkt der PFC die innere Stimme, die beschwichtigt oder versucht zu bewältigen: „Das wird schon gut gehen…das merkt schon keiner…das schaffe ich schon.“ Doch der PFC hat nur eine begrenzte Kapazität – vergleichbar mit einem Akku. Je höher der Druck wird, desto schneller verbraucht sich die Fähigkeit zu agieren – wir reagieren häufig nur noch. Überlegte, integre und moralisch einwandfreie Entscheidungen sind unter Druck kaum mehr möglich. Angstreaktionen bestimmen das Verhalten.
Dank der Neurowissenschaften wissen wir aber nicht nur, wie unser Gehirn in Krisensituationen tickt, sie haben auch ein Verständnis dafür geschaffen, wie die Kontrolle des “state” durch gezielte non-kognitive Techniken optimiert werden kann. Der Schlüssel dazu liegt in der Neuroplastizität des Gehirns und der regelmäßigen Integration von non-kognitiven Techniken in den Alltag. So wird ein gutes State-Controlling gerade in Compliance-Krisen zum nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.