28-11-2022
Am 04. November 2022 fand erneut die jährliche Fachtagung Criminal Compliance statt. Veranstalter des Events, welches in diesem Jahr online abgehalten wurde, waren die Handelsblatt Fachmedien in Kooperation mit dem Erich Schmidt Verlag. Tagungsleiterin war Birgit Galley, Betrugsermittlerin und Geschäftsführerin der School GRC Training, Berlin.
Den Anfang machte Dr. Johannes Schäfer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Noerr, mit einem Vortrag zu den Auswirkungen aktueller EU-Sanktionen auf Geschäftsbeziehungen und Transaktionsgeschäfte. Dabei wurde die Notwendigkeit für Unternehmen deutlich, sich mit den schwer zu durchblickenden Einschränkungen durch die aktuellen Sanktionen gegen Russland auseinanderzusetzen und sich eigenverantwortlich mit allen Informationen über die Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit zu versorgen.
Im Anschluss behandelten Herr Prof. Dr. Christian Pelz, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Noerr und Herr Sebastian Karnoll, VP Instructional Designer, lawpilots in ihrem Vortrag Sustainability als das neue Top-Thema für Compliance Officer. Besondere Herausforderungen resultieren dabei für Unternehmen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die Schwierigkeit läge für Unternehmen darin, mögliche Menschenrechtsrisiken bei allen unmittelbaren Zulieferern zu kennen und entsprechende Präventivmaßnahmen durchzuführen, wie etwa Kündigungs- oder Auditrechte.
Danach ging es im Vortrag von Dr. Katrin Roesen, Referatsleiterin der Sonderkommission Kartellbekämpfung vom Bundeskartellamt, um die Compliance-Defense im kartellrechtlichen Bußgeldverfahren. Frau Roesen betonte, welche Bedeutung der Kartellrechts-Compliance in der aktuellen wirtschaftlichen Situation zukommt, um die Krise durch einen starken Wettbewerb zu meistern. Aus diesem Grund sind auch Kartellbehörden in Krisenzeiten nicht nachsichtiger, im Gegenteil: das Kartellrecht gilt auch hier ohne Einschränkungen.
Spannende Einblicke in die IT-Forensik und die Aufklärung wirtschaftskrimineller Handlungen gewährte Steffen Idler, Senior Manager Forensic, Risk & Compliance bei BDO, den Teilnehmern im nächsten Vortrag. Thema war hierbei insbesondere die Identifikation, Sicherstellung, Verarbeitung und Sichtung elektronischer Dokumente mit dem Ziel, Informationen als Beweismittel in einer Untersuchung oder einem Rechtsstreit zu erheben (E-Discovery). Die Grenzen der IT-Forensik liegen laut Herrn Idler insbesondere in der Wiederherstellung gelöschter Daten – umso wichtiger ist ein Mobile-Device-Management im Unternehmen.
Mit dem Zitat „Der wichtigste Gebrauchsgegenstand den ich kenne, ist die Informationen“ aus dem Film Wall Street von 1987 leitete im Anschluss Frau Dr. Heidelinde Köpsel, Senior Legal Counsel bei Roche, ihren Vortrag zum Geschäftsgeheimnisschutzgesetz ein. Hierbei ging es auch um Empfehlungen zur wirksamen Implementierung eines Schutzkonzepts. Frau Köpsel betont, dass die Information als solche neutral und nicht geschützt ist. Um in den Schutzbereich des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes zu gelangen, bedarf es angemessene Vorkehrungen zum Schutz der Information, wie eine arbeitsvertragliche Geheimhaltungsklausel.
Um KYC-Systeme als sinnvolles Tool im Kampf gegen Geldwäsche ging es im Vortrag von Herrn Rüdiger Quedenfeld, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Eunomia Compliance Consult in Wang. Besonders bei der Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten bedarf es in vielen Fällen den Einsatz von automatisierten KYC-Systemen, um bei einer Vielzahl von Verbindungen und gegebenenfalls auch Verschleierungen den tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten zu ermitteln.
Frau Dr. Anna-Elistabeth Krause-Ablaß, Delegierte Europäische Staatsanwältin, hielt einen Vortrag über die neue Europäische Staatsanwaltschaft im Kampf gegen Korruption. Hierbei ging es unter anderem um die materielle Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) für Straftaten, die zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union führen. Dazu gehören vorsätzliche Taten wie Betrug, Korruption oder Geldwäsche (PIF-Delikte). Das Ziel der EUStA ist es, neben einer Ahndung der Straftaten das Vermögen der Straftäter abzuschöpfen („Crime Does Not Pay“).
Um das neue Hinweisgeberschutzgesetz ging es im Vortrag von Herrn Dr. Björn Bogner, Rechtsanwalt, Zertifizierter Compliance Officer, KSB INTAX. Laut Herrn Bogner ist Hinweisgeberschutz gleich Unternehmensschutz, da es hierbei um die Aufdeckung potenziell schwerwiegender illegaller Missstände im Unternehmen geht. Der Schutzbereich des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes geht dabei über europäische Anforderungen hinaus und schützt Hinweisgeber auch bei der Meldung von Verstößen gegen deutsche Strafvorschriften oder bußgeldbewährte Verstöße.
Cybersecurity ist auch ein Thema für Juristen – das wurde mit dem Vortrag von Frau Katharina Bitz, General Counsel, Cipp/E, Compart AG, über Cybersecurity im Mittelstand besonders deutlich. Frau Bitz betonte in diesem Zusammenhang wie wichtig es ist, ein Sicherheitskonzept in das Ökosystem des Unternehmens zu integrieren und insbesondere die Bereiche Cybersecurity und Compliance eng aufeinander abzustimmen. Auch beim Einsatz externer Berater bedarf es zumindest interne Ansprechpartner oder eine Stabsabteilung, die den Sachverhalt intern koordinieren kann.
Wie die Korruptionsprävention im internationalen Business gelingt, war Thema des Vortrags von Frau Carola Rinker, Unternehmensberaterin und Coach. Hierbei wurde unter anderem die Notwendigkeit eines Verhaltenskodex, die Stärkung der Vorbildfunktion von Führungskräften und die Implementierung eines Hinweisgebersystems hervorgehoben. Nicht zu unterschätzen sei auch die Rolle der Unternehmenskultur und der Wertevorstellungen im Unternehmen.
Zum Abschluss der Veranstaltung ging es in einer Paneldiskussion (siehe Bild unten) mit Frau Birgit Galley als Moderatorin und Herrn Matthias Kuhlmann, Head of Compliance Investigations, thyssenkrupp AG Florian von Götz, Chief Compliance Officer, Axel Springer SE und Dr. Jürgen Gleichauf, Chief Compliance Officer and Vice President Legal Product & Technology, Mercedes-Benz Group AG um das Krisenmanagement im Unternehmen bei Compliance-Vorfällen. Hieraus gingen wertvolle Praxishinweise für den Ernstfall hervor, besonders für den Umgang mit der Presse. Offene, aktive Kommunikation ist hier ein Kernelement der Krisenbewältigung, insbesondere um falsch dargestellte Tatsachen richtigzustellen. So soll in erster Linie ein Reputationsverlust vermieden werden, der sich anhand von sinkenden Verkaufszahlen und Börsenkursen, aber auch an einer verschlechterten Stellung des Unternehmens am Bewerbermarkt ablesen lässt.
Aus der Veranstaltung gingen noch viele weitere Handlungsempfehlungen und Lösungen für aktuelle Rechtsfragen und neue Herausforderungen hervor. Die Fachtagung Criminal Compliance 2022 war damit ein voller Erfolg und wir freuen uns bereits sehr auf das nächste Jahr.