Erfolgreiche Führung ist immer mit Blick auf die Zukunft, also nachhaltig in der zeitlichen Dimension, ausgestaltet. Dazu ist vor allem Mut zur Verantwortung gefragt: Mut über das Tagesgeschäft oder den Quartalsbericht hinaus zu denken. Mut, dem Wichtigen im Zweifel Vorrang vor dem Dringlichen zu geben. Das bedeutet nicht nur das Abwägen zwischen kurzfristigen und langfristigen Folgen, sondern auch das Verfolgen verschiedener Zieldimensionen ausschließlich und stets zum Wohle des Unternehmens. Gewinnerzielung, Umweltschonung und Mitarbeiterorientierung müssen ausbalanciert werden. Das erfordert Mut und Tapferkeit.
Neben allen Mitgliedern der Geschäftsführung müssen sich auch alle Mitglieder des Beirats und Aufsichtsrat stetig fragen: Bin ich tapfer genug? Bin ich mutig genug? Habe ich stets alle Informationen erforscht? Frage ich immer engagiert nach? Will ich entscheiden? Das sind für ehrbare Führungskräfte die Kern-Fragen, die sie sich in ihrer Tagesarbeit stellen müssen. Tapferkeit hat weniger mit Risiken und Gefahren zu tun, denen man sich aussetzt, sondern vor allem mit der eigenen Überzeugung und der persönlichen Sinn- und Werte-Orientierung. Wofür setze ich mich ein? Wofür stehe ich? Lohnt es sich dafür im ethischen Sinne mutig zu kämpfen? Habe ich Rückgrat?
Was ist nun die Basis für diese Tapferkeit und für diesen Mut? Wo schöpft die ehrbare Führungskraft diese Kraft? Meiner Meinung nach sind Unabhängigkeit, Persönlichkeit und Charakter die entscheidenden Kraftquellen für gelebte Tapferkeit und Mut.
Wissen und Erfahrung brauchen Charakter. Personen mit viel Wissen und erfolgreicher Erfahrung müssen nicht notwendigerweise gute Führungskräfte sein. Wissen und Erfahrung ohne Charakter ist vielleicht sogar gefährlich. „If you’re looking for a manager, find somebody who is intelligent, energetic and has integrity. If they don’t have the last, be sure they don’t have the first two. If you have somebody who lacks integrity, you want them to be dumb and lazy” empfiehlt schon Warren Buffett (*1930), US-amerikanischer Unternehmer. Wissen und Erfahrung muss zwingend ergänzt sein um eine Sinn- und Werte-Orientierung, um Charakter.
Wir brauchen in der fortlaufenden Corporate Governance Diskussion einen Perspektivenwechsel: von der Governance des Unternehmens zur persönlichen Governance des Topmanagers. Es geht dabei um ein neues Managementverständnis: um reflektierte Selbsteinschätzung und Selbstüberprüfung, um ethisches Management. Eine in vielen Belangen vielfältige und umfassende Unabhängigkeit ist dabei der wichtigste aller „Personal-Governance-Grundsätze“, der eigene und fremde Ansprüche an Haltung und Verhalten von Beiräten und Aufsichtsräten (und natürlich auch Vorständen und sonstigen Führungskräften) konkretisiert.
Ehrbare Führungskräfte müssen allein zum Wohle und im Sinne des Unternehmens entscheiden können, ohne Rücksichtnahme auf persönliche Bindungen oder eigene Interessen.