„Nachhaltigkeit“ sagt noch nichts über die Qualität der mit diesem viel bemühten Begriff verbundenen Unternehmenstätigkeit aus: Nachhaltig ist nicht automatisch „gut“, sondern kann eben auch „nachhaltig schädlich“ sein. Dies muss man gerade in diesen Tagen vermehrt konstatieren.
So versuchen derzeit viele mit Erstaunen oder Entsetzen (?) auszuloten, welche Implikationen die unkalkulierbare Politik des einstigen Wirtschafts- und gesellschaftlichen Garanten der westlichen Welt – die USA – auf Europa und Deutschland hat. Zeitgleich und bar wider jede Vernunft sehen wir an der Börse das ewige Pendel zwischen Gier und Angst eindeutig zu Ersterer ausschlagen.
Unternehmerisch führt diese Gier manches Mal zu grenzwertiger Compliance: Beispielsweise ist das DAX30-Unternehmen HeidelbergCement AG nach eigener Aussage gerade dabei, von dem vermeintlichen Investitionsschub in den USA massiv zu profitieren. Durch Tochterunternehmen im Süden der USA geografisch-logistisch und politisch sozusagen in „Pole-Position“, ist man bestens dafür gerüstet, die benötigten Baustoffe für den extrem kritisierten Mauerbau zwischen Mexiko und den USA zu liefern. Ein naheliegendes und „nachhaltiges“ Projekt – doch ist hier nachhaltig auch „nachhaltig gut“ für ein Unternehmen, dessen Ursprungsland einschlägige Erfahrungen mit Mauerbau hat?
Basis-Anforderungen der gesellschaftlichen Verträglichkeit wirtschaftlichen Tuns, wie sie auch der Deutsche Nachhaltigkeitskodex fordert (seit dem 1. Januar 2017 ist eine Entsprechenserklärung für große Unternehmen Pflicht), werden jedenfalls keineswegs dadurch befördert. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund eines sich selbsterhaltenden Zwang-Systems (der Vorstand nutzt den vom Aufsichtsrat gesetzten Rahmen, um bestenfalls gemeinsam den – nach wie vor zumeist kurzfristig orientierten – Interessen der Kapitalgeber nachzukommen) wird auch knapp zwei Jahrzehnte nach Einführung des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, KonTraG, vom 1. Mai 1998) zwar die Transparenz formal erhöht, aber eine intrinsisch motivierte und gelebte „gute“ Nachhaltigkeit ist damit nicht notwendigerweise verbunden. Dies zeigt sich beispielsweise auch in einer Untersuchung des Instituts für Compliance und Corporate Governance, bei der die DAX 30-Unternehmen erhebliche Verbesserungspotenziale vorrangig bei der „gelebten“ Compliance-Kultur aufweisen (Veröffentlichungen in Vorbereitung).
Dass es auch anders geht, zeigt – um im obigem Beispiel zu bleiben – der viertgrößte Zementhersteller Cemex, der – mexikanischen Ursprungs – aus naheliegenden Gründen den von der US Administration geplanten Mauerbau zu Mexiko eine klare Absage erteilt hat.
Als Verantwortliche, sei es als Investor, Aufsichtsrat oder operativer Manager, sollten wir uns nicht nur auf formales Regelwerk zurückziehen. „Archäologische“ Ausgrabungen in der Wirtschaftsgeschichte können uns einen Weg zur „guten“ Nachhaltigkeit weisen wie beispielsweise eine Wirtschaftsethik à la Max Weber und die Grundsätze des „ehrbaren Kaufmanns“.