Es gibt sie – zweifelsohne – die Musterschüler im Mittelstand – bei denen das Thema Compliance angekommen ist. Insgesamt zeigt sich in (meiner) der Praxis aber ein differenziertes Bild: Noch viel zu oft begegnet mir im Alltag der Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Eine gefährliche Aussage. Die Verantwortlichen – oft sind es die Eigentümer der Unternehmen selbst – fühlen sich auch heute noch erstaunlich sicher in ihren über Jahrzehnte hinweg gelebten Mustern. Spricht man das Thema Compliance in diesen Unternehmen konkret an oder äußert gar mögliche Bedenken – reagieren viele von ihnen mit Unverständnis. ‚Unternehmerische Freiheit‘ ist der Deckname für längst überholte Geschäftsgebaren. Konsequenzen? Der Blick für die möglichen Konsequenzen wie Ordnungsgelder, Kartellstrafen etc. – die langfristig größten Schaden anrichten können – fehlt. Was in erster Linie aber fehlt, ist das Bewusstsein über das eigene Verhalten.
Die Macht des Unterbewusstseins
Hier setzt Compliance Coaching an. Wir wissen, dass der Mensch zu 95% vom Unterbewusstsein gesteuert wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass gerade Mal 5% der Entscheidungen/Handlungen bewusst getroffen werden. Ein ‚das haben wir schon immer so gemacht‘ weist darauf hin, dass die Handlung vom Unterbewusstsein gesteuert ist. Für die Führungsebene, den Unternehmer heißt das, lange gelebte Muster über das Training der Selbstwahrnehmung ins Bewusstsein holen. Selbstwahrnehmung ist die Basis der Emotionalen Intelligenz – dem Leadership-Erfolgsfaktor schlechthin. Über das Training der Selbstwahrnehmung wird die persönliche Compliance Messlatte bewusst. Das ist die Messlatte, mit der jeder Mensch ganz individuell seine persönliche Compliancegrenze lebt. Für den einen ist die Mitnahme von drei Blättern Druckerpapier aus der Firma schon die rote Grenze – für den anderen ist es der Deal – die Gründung einer Scheinfirma für den Steuervorteil – mit dem entfernten Cousin. Jeder misst hier mit seinem ganz persönlichen Maß – seiner persönlichen Compliance-Messlatte eben. Das Faszinierende ist – kaum einer Führungskraft ist diese Messlatte überhaupt bewusst.
Techniken der Selbstwahrnehmung stehen im Zentrum
Dabei ist sie die Compliance-DNA eines jeden Einzelnen – also das, was es zu entdecken gilt, mit Hilfe der Selbstwahrnehmung. Denn das Allerwichtigste bleibt immer, dass der Unternehmer und seine oberste Führungsebene Compliance authentisch ‚vorleben‘. Nur wenn die Mitarbeiter spüren, dass die Messlatte niedrig liegt – also das Verhalten ethisch und compliant ist – sind Instrumente und Strukturen auf Dauer erfolgversprechend. Das Compliance Coaching vermittelt Unternehmern und Führungskräften Techniken, die die Selbstwahrnehmung in den Alltag integrieren. Denn nur so gelingt es die Prozesse, die unterbewusst ablaufen, nachhaltig an die Oberfläche zu holen = eingefahrene Muster zu erkennen. Eine Technik ist die Beobachterhaltung. Sie nimmt sich ganz gezielt die Gedankenmuster vor und zielt auf einen inhaltlichen Perspektivenwechsel ab. Sie führt dazu, dass wir nachhaltig lernen, unbewusste Denkprozesse bewusst zu machen, um so – neben dem Perspektivenwechsel (z.B. mit dem Ziel die Compliance-Messlatte niedriger anzusetzen) auch in schwierigen Situationen Wahlmöglichkeiten (handele ich nach meinem alten Muster oder nicht) besser erkennen und nutzen zu können. Das Compliance-Coaching agiert dabei immer im Tandem mit dem Blick durch die juristische Brille. Denn entscheidend ist neben der Bewusstmachung der Prozesse, vor allem auch die rechtlichen Voraussetzungen und „red flags“ im Blick zu haben.