Prof. Dr. Oliver Haag
Professor für Wirtschaftsrecht Hochschule Konstanz; Institut für Unternehmensrecht; Konstanz Institut für Corporate Governance

Führungskultur und Compliance versus „Tarnen, Täuschen, Tricksen“

„Auf Dauer erfolgreich kann ein Unternehmen nur sein, wenn es sich integer verhält, Recht und Gesetz weltweit einhält und zu seinen freiwilligen Selbstverpflichtungen und ethischen Grundsätzen auch dann steht, wenn es unbequem ist.“ Hätten Sie es gewusst? Dies ist der Eingangssatz zu Compliance auf der Website der Volkswagen AG. Allein in den Jahren 2013 und 2014 wurden bei VW weltweit über 380.000 Mitarbeiter in Compliance-Fragen geschult, darunter knapp 6.000 Führungskräfte. Ein weiteres auf der Website prominent verortetes Zitat lautet: „Compliance … muss für alle Mitarbeiter ganz normal sein.“

Spiegelt man diese Selbstdarstellung an den jüngsten öffentlich gewordenen Fakten rund um den großflächigen und wohl systematisch angelegten „Abgas-Skandal“ so drängt sich unaufhaltsam die Frage nach der Ernsthaftigkeit derartiger „Unternehmens-Statements“ auf: Ist Compliance jetzt der für die „heiße Luft“ zuständige Unternehmensbereich? Handelt es sich um bloße Lippenbekenntnisse, die aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit abgegeben aber nicht gelebt werden?

Auch wenn man sich dieses Eindrucks zunächst nicht vollständig entziehen kann, sollte eine schablonenhafte Einordnung unterbleiben: Compliance ist untrennbar mit Führung verbunden. Nur in einem angstfreien Umfeld, das auch den Überbringer schlechter Nachrichten nicht abstraft, kann das in vielen Unternehmen jahrelang gelebte 3-T-Prinzip des „Tarnen-Täuschen-Tricksen“ aufgebrochen werden. Dies erfordert eine offene, transparente und vertrauensvolle Kommunikation im Sinne einer gelebten Führungskultur. Wer sich die auf youtube verorteten Videos der Auftritte des ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden auf Messen und die in diesen dokumentierte Umgangsweise mit anderen aber eben untergeordneten Führungskräften ansieht, mag seine eigenen Schlüsse ziehen. Compliance kann nur funktionieren, wenn die Grundsätze des rechtlichen wie ethischen Verhaltens ganzheitlich und nachhaltig in den Köpfen (und Bäuchen) aller Unternehmensangehörigen verortet sind. Dazu aber ist ein entsprechender offener und angstfreier Umgang untereinander im Sinne einer echten Führungskultur erforderlich.