Georg Gößwein, LL.M.

Rechtsanwalt, Mediator und Executive Coach, Mitglied des Verwaltungsrats DICO e.V.

Nach 20 Jahren in der Industrie u.a. als General Counsel (ca. 5 Jahre MDAX), Chefsyndikus und Chief Compliance Officer ist Georg Gößwein heute als Rechtsanwalt, Mediator und Executive Coach tätig. Compliance als Führungsaufgabe, das dezentral-funktionale, Ressourcen schonende und Kultur bildende Compliance Management System bilden den Fokus seiner Beratungs- und Publikationsaktivitäten. Er ist Mitglied des Rechtsausschusses sowie Gründungsmitglied des Arbeitskreises Compliance Management im VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Weiterhin ist Herr Gößwein Gründungs- und Verwaltungsratsmitglied von DICO – Deutsches Institut für Compliance e.V..


„PLOB®?!“ –reloaded

Rechtszeitig zur WM lohnt sich ein Blick zurück und in die Zukunft. Anlässlich der letzten EM habe ich „PLOB®?!“ auch im Compliance Channel (s.u.) vorgestellt. Seitdem hat sich viel getan.

„PLOB®?!“ eignet sich als Kurzformel für Compliance und wird von Unternehmen verwendet, um jedem Mitarbeitenden ein griffiges Werkzeug zur Unterstützung bei Compliance-Unsicherheiten an die Hand zu geben.

“PLOB?!” steht für PRESSE, LEGAL, OMA, BAUCH und soll Mitarbeitenden helfen, sich in Dilemma Situationen richtig zu entscheiden. Der Mitarbeitende soll sich fragen, ob die Entscheidung bzw. Konsequenzen daraus morgen in der Presse stehen könnten, ohne dass das Unternehmen einen Reputationsverlust erleidet, ob sie legal ist, er diese theoretisch seiner Oma (seinem Umfeld) erzählen könnte, ohne in Erklärungsnot zu geraten und was das Bauchgefühl ihm sagt.

So kann PLOB®?! helfen, in Dilemma-Situationen eine gute Entscheidung zu treffen. Mitarbeitende begrüßen die einfache Herangehensweise, die häufig schon die nötige Klarheit schafft oder die Augen dafür öffnet, doch besser Rat zu suchen. An PLOB®?! gefällt auch, dass sich das Konzept leicht erklärt, man es sich gut merken kann und man sich Compliance mit einer gewissen „Leichtigkeit“ nähert. Häufig lautet die Compliance-Frage unter Kollegen mittlerweile schlicht: „hast Du das schon gePLOBt?!“

Andere Organisationen wollen „PLOB®?!“ als Kurzformel für Compliance nicht verwenden, weil es ihnen an der für Compliance aus ihrer Sicht nötigen Ernsthaftigkeit fehlt und „PLOB®?!“ eine unzulässige Reduzierung von Komplexität darstelle.

Ich bin überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich auch in diesen Organisationen das Konzept durchsetzt. (Vielleicht auch, weil die Mitarbeitenden diesen Beitrag lesen J.). Was spricht dagegen, zu versuchen, Compliance mit mehr Leichtigkeit zu versehen und sich ihr gegebenenfalls sogar mit einem Schuss Humor zu nähern? Wir wissen, Angst ist sicher der schlechteste Ratgeber und in vielen Unternehmen findet man Angst als Begleiter von Compliance. „PLOB®?!“ kann hier eine nötige Intervention sein, um die Organisation aus der „Angststarre/ Entscheidungslähmung“ zu führen. Auch lässt sich auf diese Art Mitarbeitenden Vertrauen zurückgeben.

Weshalb muss Compliance immer komplex sein? Sollte es nicht gerade ein zentrales Ziel sein, Entscheidungsprozesse nach Möglichkeit weniger komplex zu gestalten. Letztlich wird durch PLOB®?! erreicht, Mitarbeitende in einem frühen Stadium der Entscheidungsfindung für Compliance-Belange zu sensibilisieren und das eben „kurz und knackig“. Das neben „PLOB®?!“ regelmäßig komplexere Regelwerke und Prozesse existieren werden, auf die gegebenenfalls im nächsten Schritt zurückgegriffen wird, ist grundsätzlich der Fall und auch angezeigt.

Selbstverständlich, lässt sich auch die Botschaft von „PLOB®?!“ ausformulieren. Im Folgenden ein Beispiel für einen ausformulierten Ansatz, bei dem ich aufzeige (die Buchstaben in „rot“), wie „PLOB®?!“ m.E. all dessen Aspekte abdeckt.

Selbsttest zur Entscheidungshilfe (S.67 des aktuellen CoC von VW abgefragt am 18.6.2018):

Sollte ich mir im Einzelfall unsicher sein, ob mein Verhalten im Einklang mit den Grundsätzen unseres Code of Conduct steht, sollte ich mir folgende Fragen stellen:

  1. Habe ich bei meiner Entscheidung alle relevanten
    Belange berücksichtigt und diese richtig abgewogen? = PLOB®?!
    (Fachlicher Test)
  2. Habe ich das Gefühl, dass ich mich mit meiner Entschei-
    dung im Rahmen der gesetzlichen und internen Vorgaben              = PLOB®?!
    bewege? (Legalitätstest)
  3. Stehe ich zu meiner Entscheidung, wenn diese ans Licht             = PLOB®?!
    kommt? (Vorgesetztentest)
  4. Befürworte ich, dass unternehmensweit in allen
    vergleichbaren Fällen ebenso entschieden wird?                = PLOB®?!
    (Verallgemeinerungstest)
  5. Halte ich meine Entscheidungen weiterhin für richtig, wenn
    mein Unternehmen sie in der Öffentlichkeit vertreten muss?         = PLOB®?!
    (Öffentlichkeitstest)
  6. Würde ich meine eigene Entscheidung als Betroffener                = PLOB®?!
    akzeptieren?  (Betroffenheitstest)
  7. Was würde meine Familie zu meiner Entscheidung sagen?         = PLO?!
    (Zweite Meinung)

Habe ich die Fragen 1– 6 mit „ja“ beantwortet und ist auch Frage 7 positiv zu beantworten, stimmt mein Verhalten höchstwahrscheinlich mit unseren Grundsätzen überein. Verbleiben Fragen oder Zweifel, wende ich mich an die in diesem Kapitel genannten Anlaufstellen.

PLOB®?!

Entscheiden Sie selbst, welche Herangehensweise Sie für Ihre Organisation als nützlich erachten.

Ich glaube es macht besonders viel Sinn, einen ausführlicheren Ansatz mit „PLOB®?!“ zu ergänzen. Das lässt die Mitarbeitenden einen anderen Blick auf Ihren Ansatz werfen und erhöht gleichzeitig den Erinnerungsfaktor.

Na denn PLOB®?!


PLOB?!

Vor dem Hintergrund der laufenden EM träumen Sie nun vielleicht von einem kühlen Blonden und einem schönen Fußballspiel beim “Public Viewing”.

Weit gefehlt! “PLOB?!” steht für PRESSE, LEGAL, OMA, BAUCH und soll Mitarbeitenden eine Hilfestellung sein, sich in Dilemma Situationen richtig zu entscheiden. Der/die Mitarbeitende soll sich fragen, ob die Entscheidung bzw. Konsequenzen daraus morgen in der Presse stehen könnten, ohne dass das Unternehmen einen Reputationsverlust erleidet, ob sie legal ist, er/sie diese theoretisch seiner Oma (seinem Umfeld) erzählen könnte, ohne in Erklärungsnot zu geraten und was das Bauchgefühl ist.

Ich habe mir das Akronym „PLOB?!“ einfallen lassen, um Mitarbeitenden ein einfaches, einprägsames Werkzeug an die Hand zu geben, an welchem sie zweischneidige Entscheidungen messen können, um so zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Es hat sich einfach gezeigt, dass umfangreiche Regelwerke, Prozesse und Anweisungen und darauf basierende Schulungen vergessen werden können und letztlich im entscheidenden Moment bei den Adressaten nicht präsent sind. “PLOB?!” dagegen lässt sich kaum vergessen und kann so als Kompass “mitgenommen” werden. Es erscheint nützlich, zu versuchen die Komplexität von Compliance Fragestellungen zu reduzieren. Häufig ist eben auch bei Compliance weniger mehr.

Das “PL” in PLOB eröffnet dem Entscheider die Möglichkeit, inne zu halten und zu erkennen, dass er/sie gegebenenfalls Expertenrat einholen sollte. Damit wird die Gefahr reduziert, dass leichtfertig Entscheidungen getroffen werden, die bei zu Hilfe Name von Expertenrat anders ausgefallen wären. So kann „PLOB?!“ Entscheidungsträger darin unterstützen, Compliance zum natürlichen Bestandteil von täglichen Entscheidungsprozessen werden zu lassen. Die Zeit der “don’t ask for permission, ask for forgiveness” bzw. “act and say sorry”- Entscheidungen, gehört wohl der Vergangenheit an. Diese Phrasen waren (sind?) insbesondere in Großkonzernen weit verbreitet und sollen Ausdruck von pragmatischem und unternehmerischem Handeln sein. Die Realität zeigt, dass Entscheidungen, die nicht zumindest den „PLOB“-Test durchlaufen haben, dramatische Konsequenzen haben können. Warum sollte denn unter Kollegen bei zweischneidigen Entscheidungen die Frage nicht lauten: „Sag mal, hast Du das denn schon geplobt?!“

Na denn, PLOB!


Positive Regelkultur als Immunsystem eines Unternehmens

Siemens, Ferrostaal, Daimler, Deutsche Bank, Petrobras, Thyssen-Krupp, Bilfinger, GM, Toyota, ADAC, FIFA, VW, DFB und viele andere werden wohl noch für einige Zeit als Organisationen in unserem Gedächtnis bleiben, die neben großartigen Leistungen leider auch compliance-technisch versagt haben.

Alle haben in der Folge öffentlich gewordener Compliance-Vorfälle zum Teil drastische organisatorische Veränderungen vorgenommen. Regelmäßig wurde eine Compliance Organisation eingezogen bzw. die bestehende gestärkt und häufig durch Bestellung oder Austausch eines Chief Compliance Officer das gewünschte zentrale und öffentlich wirksame Signal gesetzt.

Man darf sich fragen, ob diese Maßnahmen nachhaltig die bestehende Unternehmenskultur insbesondere im Hinblick auf Regeltreue positiv beeinflussen werden bzw. beeinflusst haben. Die Erfahrung lehrt, dass die Mammutaufgabe, Compliance im Sinne von Regeltreue im Unternehmen fest und dennoch veränderungsfähig zu implementieren, nicht von einer zentralen Funktion und schon gar nicht von einer Person alleine geschultert werden kann, auch wenn an der Organisationsspitze die richtige Haltung vorgelebt wird.

Es gilt die Organisation dezentral-funktional auf positive Regeltreue zu konditionieren. Hierbei macht es Sinn, sich am Immunsystem des menschlichen Körpers zu orientieren. Dieses hat zentrale Komponenten, kann aber nur aufgrund der dezentralen „Helfer“ wirklich funktionieren, wobei die gleichgesinnte Kommunikation innerhalb des Systems und nach außen von wesentlicher Bedeutung ist. Das Compliance Management System einer Organisation bildet idealerweise das funktionierende Immunsystem des menschlichen Körpers nach. Konkret heißt dies, neben zentralen Komponenten im Top-Management wie der des Chief Compliance Officer oder eines Compliance Council, eben auch dezentrale Komponenten funktions- und risikofokussiert insbesondere auf der zweiten und dritten Managementebene mit Compliance zu befassen.

Idealerweise geschieht dies dadurch, dass den handelnden Personen mehr Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung in Sachen Compliance gegeben wird. Es müssen klare Compliance-Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten („AKV“) definiert werden, die von den verantwortlichen Personen verinnerlicht und gelebt werden. Management-Entwicklungsprogramme müssen auch Elemente beinhalten, die die gewünschte Haltung im Hinblick auf positive Regelkultur fördern und einfordern. Die zentrale Compliance-Funktion wird sich in diesem Umfeld auf übergeordnete Aufgaben wie Beratung, Schulung, Kontrolle, Krisenmanagement und der Weiterentwicklung des Compliance Management Systems fokussieren. Die in der Organisation wahrgenommene Verantwortung für Compliance wird so von vielen Schultern getragen. Positive Regelkultur ist dann kein Fremdkörper – im Sinne von „die einen machen Compliance, die anderen machen das Geschäft“ – sondern natürlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Das Immunsystem funktioniert.